Der Scheibe-Wischer (1) : Aus der Prinzenrolle gefallen
Zwischen den Jahren gewährt der Rechtsberater der taz, Peter Scheibe, einen Einblick in die Abgründe des deutschen Presserechts.
Manch einer kämpft verzweifelt für seine fünfzehn Minuten Ruhm. Was aber tun, wenn man sein ganzes Leben im Rampenlicht über den eigenen Schatten stolpert? Kameras mit Regenschirm ausschalten?
Wie viele andere Zeitungen auch hatte die taz eine Agenturmeldung übernommen, nach der Ernst August von Hannover mal wieder aus der Prinzenrolle gefallen ist. In dem daraufhin gegen die taz angestrengten Verfahren wollte die Anwältin aus der Kanzlei des Presserechtlers Matthias Prinz ihren Mandanten „nicht zu den herausgehobenen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, geschweige denn zu den sog. ‚absoluten Personen der Zeitgeschichte‘“ zählen. Nach ihrer Ansicht bekleidet Ernst August „weder ein Amt noch eine sonstige Position im öffentlichen Leben, noch hebt er sich durch Leistungen und Taten außergewöhnlich aus dem Kreis seiner Mitmenschen heraus“. Was die Leistungen betrifft, mag das stimmen. Wegen seiner Taten allerdings wurde er zu 445.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Er hat Revision eingelegt.
Hat etwa jahrelang ein völlig Unbekannter die Titelseiten von Gala und Bunte geziert? Wenn es um Schmerzensgeld aufgrund von „Verletzungen des Persönlichkeitsrechts“ geht, ist sich seine blaublütige Sippe jedenfalls nicht zu fein, mit dem Prominentenbonus zu wuchern. Die Höhe von Schmerzensgeld berechnet sich nämlich gerade bei Paparazzi-Fotos danach, was die Abgebildeten bei Abschluss eines Vertrages verlangen könnten. So dürften die Kosten der Hochzeit des Prinzen mit Caroline von Monaco durch einen Exklusivbericht in Paris Match gemildert worden sein.
Folgerichtig monierte das Bundesverfassungsgericht in einem anderen Verfahren, der Schutz der Privatsphäre entfalle, „wenn jemand – etwa durch den Abschluss von Exklusivverträgen – seine privaten Angelegenheiten öffentlich macht“. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist dem zwar nicht gefolgt, ganz so weit musste die taz den Rechtsweg aber nicht beschreiten: Der Unterlassungsantrag gegen die taz wurde zurückgenommen.
Wie man sich seinen Anteil ohne falsche Bescheidenheit holt, kann Ernst August bei Tatjana Gsell lernen. Nachdem diese sich von der taz unter Bezug auf den unsanft ums Leben gekommenen Schöpfer ihres Busens etwas despektierlich bezeichnet fand, unterzeichnete sie die Vollmacht für ihren Anwalt nicht nur, sondern setzte eine unmissverständliche Aufforderung hinzu: „Geldentschädigung!“. Wie man das tatsächlich schafft, sollte ihr wiederum der Welfenprinz verraten. PETER SCHEIBE