: Klotzen für „Reformen“
Basis der Lobbyarbeit der INSM sind Partnerschaften mit großen deutschen Zeitungen, etwa der Financial Times Deutschland, der Wirtschaftswoche und der FAS. Gemeinsam mit diesen Partnern lobt sie Preise aus und verleiht Titel wie „Reformer des Jahres“ (Friedrich Merz, CDU), „Bürgermeister des Jahres“ (Ole von Beust, ebenfalls CDU) oder „Ministerpräsident des Jahres“ (Georg Milbradt, selbstverständlich auch CDU).
Wann immer einer dieser Preise verliehen wird oder die INSM an anderer Stelle vehement Reformen einfordert, kann sich die Initiative sicher sein, dass nicht nur in diesen Partnerblättern berichtet wird – wohl nicht zuletzt, weil sie eine überaus potente Anzeigenkundin ist. Kleinere Zeitungen veröffentlichen die von der berolino.pr produzierten und gratis angebotenen Texte schon mal als redaktionelle Beiträge.
Auch sonst wird den quasiwissenschaftlichen Dossiers und Umfragen der INSM nicht selten Faktizität zugesprochen: Laut einer Auswertung der LandauMedia aus dem Jahr 2003 befasst sich nicht einmal jede zehnte Meldung über die INSM kritisch mit den PR-Aktionen der Initiative. Der Nachrichtensender Phoenix verhalf der Wahl zum „Reformer des Jahres“ durch seine Liveübertragung den Anschein politischer Neutralität.
Bei ihrem medialen Lobbying macht die Initiative auch vor Gimmicks nicht Halt, die bei einer politischen Partei kaum akzeptiert würden. So trat sie etwa beim diesjährigen Bundespresseball in Frankfurt unübersehbar als Sponsor auf: Auf jede einzelne Serviette der zahlenden Gäste war ein Sticker mit dem Spruch „Bei Reformen nicht kleckern“ geklebt. Hinter solch schalem Wortwitz steckt wie hinter den großformatigen Anzeigen die Werbeagentur Scholz & Friends.
Inzwischen strebt die INSM sogar ihren Einzug in den Schulen an, indem sie Fortbildungen und Unterrichtsmaterialien tendenziösen Inhalts anbietet. Textprobe: „Die sozialen Sicherungssysteme verschlingen immer mehr Geld, aber zugleich werden sie immer ineffizienter.“ Oder: „Die Abgabenbelastung ist trotz der Steuerreform immer noch zu hoch.“ Coole Kids werden direkt über MTV und das Portal www.wassollwerden.de auf Linie gebracht – etwa mit Comics über „irre Arbeitskosten“. So pseudoneutral dieser Angriff auf die Bildung daherkommt, so bewusst zielt er auf nachhaltige klimatische Veränderungen in Deutschland. Schon die Jüngsten sollen den Begriff „Reform“ als positiv eingeimpft bekommen.
Literaturtipps: Ulrich Müller und andere: Gesteuerte Demokratie? Wie neoliberale Eliten Politik und Öffentlichkeit beeinflussen“. VSA-Verlag, Hamburg 2004, 184 Seiten, 12,80 Euro. Rudolf Speth: „Die politischen Strategien der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“. Hans Böckler-Stiftung, Düsseldorf 2004, 40 Seiten, 10 Euro. Thomas Leif, Rudolf Speth: „Die stille Macht. Lobbyismus in Deutschland“. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2003, 385 Seiten, 32,90 Euro