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Archiv-Artikel

DIE NEUEN SOZIALHILFE-REGELSÄTZE ORIENTIEREN SICH NACH UNTEN Politik der Abschreckung

Was braucht der Mensch für ein würdiges Dasein? Die Frage beschäftigt die Politik, seitdem es die Sozialhilfe gibt. Die neuen Regelsätze in der Sozialhilfe, die auch für das Arbeitslosengeld II gelten und im Januar 2005 in Kraft treten, geben darauf eine klare Antwort: Was man zum Leben dringend braucht, entscheidet die Politik. Immer wieder neu. Und immer wieder auch nach Kassenlage. Noch nie zuvor war die Referenzgrundlage für Regelsätze so bescheiden gehalten wie bei der neuen Berechnung. Die Empfänger von Sozialhilfe werden arm sein. Und ihre Kinder ebenso. Punkt.

Die Geschichte dieser Anpassung nach unten ist lang. Noch bis Anfang der 90er-Jahre wurde die Sozialhilfe nach dem „Warenkorbmodell“ berechnet. Später dann zog man als Referenzsystem die Verbrauchsausgaben jener Bevölkerungsschichten heran, die über Einkommen knapp über dem Sozialhilfeniveau verfügten. Jetzt wurde das Referenzsystem noch einmal nach unten verschoben: Nun beziehen die Behörden sich nur noch auf die Verbrauchsausgaben des ärmsten Fünftels der Bevölkerung ohne Sozialhilfeempfänger. Von diesen Verbrauchsausgaben gehen wiederum nur prozentuale Anteile in die neuen Regelsätze für die Sozialhilfe ein. Was genau die Beamten des zuständigen Bundesgesundheitsministeriums dabei als „notwendigen Bedarf“ erachteten, zeigt ziemlich genau, wo Ausgrenzung durch Armut beginnt.

So wird den Sozialhilfeempfängern zwar ein ähnlich hoher Verbrauch an Lebensmitteln zugestanden wie dem ärmsten Fünftel der Bevölkerung. Aber schon bei den Ausgaben für Kleidung und Möbel gibt es nur noch prozentuale Anteile. Und für Kulturelles wie Bücher, Spielzeug, Freizeitartikel oder gar Computer gibt es nur noch 42 Prozent der Summe, die die ärmsten 20 Prozent dafür aufwenden. Das Geld müssen sich die Stützeempfänger künftig vom Regelsatz absparen. Extras zahlen die Behörden so gut wie gar nicht mehr.

Teilhabe an der Gesellschaft sieht anders aus. Aber darum geht es auch nicht. Die neue Sozialreform ist eine Politik der Abschreckung. Auch so kann man Armut bekämpfen. BARBARA DRIBBUSCH