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Archiv-Artikel

Atomare Aufrüstung im Antiterror-Kampf

Russlands Präsident Putin kündigt die Entwicklung eines neuen Atomraketensystems an. Dabei könnte es sich um die „Wunderwaffe“ Topol-M handeln. Doch dieses Waffenprogramm ist wegen Geldmangels bereits in Verzug geraten

MOSKAU taz ■ Der internationale Terrorismus sei eine der größten Bedrohungen Russlands, erklärte Präsident Wladimir Putin am Mittwoch bei einem Treffen mit hohen Militärs in Moskau. Doch neue Gefahren entstünden, „wenn wir anderen Elementen unserer Verteidigung – wie einem atomaren Raketenschutzschild – zu wenig Aufmerksamkeit schenken“. Deshalb entwickle und teste Russland ein neues Atomraketensystem, sagte Putin weiter. „Ich bin zuversichtlich, dass dieses in den nächsten Jahren in Dienst genommen werden kann.“

Keine andere Nuklearmacht werde ein solch modernes System haben. Weitere Details gab der Präsident nicht bekannt. Aber die neue Waffe soll jeden Raketenschutzschild, wie ihn die USA planen, durchdringen können.

Russland arbeitet seit Kündigung des ABM-Vertrags durch die USA, die Washington die Entwicklung eines nationalen Raketenabwehrsystems erlaubt, an der Modernisierung seines veralteten Atomarsenals. Das russische Verteidigungsministerium arbeitet derzeit an der Entwicklung von drei Raketentypen. Zwei wurden bereits getestet, wobei es mehrere Fehlschläge gab. Die neue mobile Topol-M soll bis Jahresende einsatzbereit sein.

Alle drei Typen sollen mit mehreren Sprengköpfen bestückt werden können, um besser einen Raketenschutzschild durchdringen zu können. Russische Medien vermuten, Putin habe in seiner Rede von der immer wieder als Wunderwaffe gelobten Topol-M gesprochen. Das neue Modell soll von mobilen Rampen abgeschossen werden und bis zu 10 Atomsprengköpfe tragen können.

Die Topol-M ist die erste Interkontinentalrakete, die Russland nach dem Untergang der Sowjetunion entwickelt hat. Das Programm ist wegen Geldmangels in Verzug geraten. Unabhängige Beobachter werten Putins Ankündigung primär als Versuch, Stärke nach innen und außen zu demonstrieren. Bei der Ankündigung hat der russische Präsident ein weiteres Mal die alten Feindbilder des Kalten Krieges bemüht und die atomare Bedrohung – und damit direkt einen möglichen Angriff durch die USA – beschworen.

Ähnliche Drohungen hatte Putin bereits nach dem Drama in Beslan ausgesprochen, wo Anfang September tschetschenische Rebellen hunderte Kinder, Eltern und Lehrer als Geiseln genommen hatten. Damals hatte Putin in seiner Rede an die Nation von Ländern gesprochen, die Moskau sein Atomarsenal neiden und sich ein saftiges Stück von Russland abschneiden wollten. Auch dieses Statement war als direkter Vorwurf an die einzige verbliebene Supermacht USA verstanden worden.

ZITA AFFENTRANGER