: ver.di warnt und streikt
Arbeiter und Angestellte demonstrieren gegen Einschnitte im öffentlichen Dienst. ver.di warnt vor Arbeitsplatzabbau. Regierung verteidigt Sparmaßnahmen als notwendige Reform
VON HOLGER PAULER
Arbeiter und Angestellte in Nordrhein-Westfalen wollen die geplanten Kürzungsmaßnahmen im öffentlichen Dienst nicht akzeptieren. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hatte aus diesem Grund zu einer Protestveranstaltung vor dem Düsseldorfer Finanzministerium geladen. Über 2.500 Teilnehmer folgten dem Aufruf. Einem Teil der Demonstranten war es sogar gelungen, bis in das Ministerium vorzudringen. Auseinandersetzungen mit der Polizei blieben allerdings ohne Folgen.
Nach ver.di-Informationen beteiligten sich landesweit die Beschäftigten von 70 Landesbehörden und Universitäten an mehrstündigen Warnstreiks. Schwerpunkt der Aktionen war das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik in Düsseldorf, wo die Arbeit gestern komplett ruhte. Aus Anlass des Buß- und Bettags rief ver.di ihre Mitglieder zudem zu Kirchenbesuchen auf. Es gehe hier um die „Wiederaneignung“ des Feiertages, der der Pflegeversicherung zum Opfer gefallen sei. Neben Nordrhein-Westfalen wurde auch in Hessen, Niedersachsen, Bayern und Schleswig-Holstein gestreikt.
Hintergrund des Aktionstages sind Pläne der Länder, die Arbeitszeit der Arbeiter und Angestellten von bislang 38,5 Stunden auf 41 beziehungsweise 42 Stunden anzuheben. Außerdem sollen Urlaubs- und Weihnachtsgeld gekürzt werden. Die Tarifgemeinschaft der Länder hatte dafür im Frühjahr die Tarifverträge einseitig gekündigt. Die Regelungen gelten seit Mai für alle neu eingestellten Landesangestellten. Beamte müssen schon seit dem 1. Januar diesen Jahres 41 Stunden arbeiten.
ver.di-Landesleiterin Gabriele Schmidt forderte die Länder-Arbeitgeber auf, die „Kündigung der Tarifbestimmungen zurückzunehmen“ und die „Reformverhandlungen für ein neues Tarifrecht im öffentlichen Dienst“ wieder aufzunehmen. „Es geht hierbei nicht nur um Verschlechterungen für die Beschäftigten, es droht auch ein massiver Verlust von Arbeitsplätzen“, sagt Jörg Verstegen, Sprecher von ver.di-NRW. Bereits jetzt seien 11.000 Stellen verloren gegangen. „Vor allem neu angestellte Arbeiter und Angestellte haben in Zukunft unsichere Arbeitsplätze“, so Verstegen. ver.di-Chef Frank Bsirske rechnet mittelfristig bundesweit mit dem Verlust von 150.000 Stellen.
NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) sieht keine Alternative: Auf Dauer dürfe es keine Ungleichbehandlung zwischen Beamten, Arbeitern und Angestellten geben: „Alle im öffentlichen Dienst müssen länger arbeiten.“ Die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Monika Düker, verteidigt die Pläne der Landesregierung ebenfalls: „Es handelt sich bei den Kürzungen um notwendige Sparmaßnahmen. Die Alternative wäre gewesen, öffentliche Zuschüsse zum Beispiel im Bereich Kultur noch weiter zu kürzen.“ Ziel müsse es sein, für Beamte und Angestellte ein einheitliches Dienstrecht zu schaffen. Will heißen: Anpassung an die bereits eingeführten Maßnahmen für Beamte. Andererseits warnt Monika Düker vor zu tiefen Einschnitten: „Einen kompletten Ausstieg aus der Tarifgemeinschaft wird es mit uns nicht geben.“ Etwaige Forderungen waren zuletzt vor allem aus der Opposition zu hören, gleich lautend mit einer Kritik an den Beschlüssen der Landesregierung. „Die Kritik der CDU an den Maßnahmen ist scheinheilig, da sie in ihren Ländern zum Teil zu noch drastischeren Maßnahmen greift“, sagt Monika Düker. Bayern will die Arbeitszeit sogar auf 42 Stunden ausdehnen.
„Wir haben im diesen Jahr auch schon mit den kommunalen Arbeitgebern über die Reform verhandelt, das sollte auch auf Länderebene möglich sein“, sagt Jörg Verstegen, wenngleich sich die Länder als schwierigere Verhandlungspartner darstellten, als die Kommunen. Allerdings waren dort die Voraussetzungen ein wenig anders gelagert: Der Verband Kommunaler Arbeitgeber (VKA) hatte den Tarifvertrag nicht gekündigt. Ziel ist lediglich die Reform des Bundesangestelltentarifvertrags von 1961. Verdi und VKA waren sich dabei im Oktober diesen Jahres nach einjähriger Verhandlung näher gekommen. Dabei wurde angekündigt, die Beschäftigten der Städte in Zukunft stärker nach Leistung zu bezahlen und auch weitere Reformen bezüglich Arbeitszeitverlängerungen und Kürzung der Zuschüsse in die Wege zu leiten. Eine Einigung steht hier allerdings noch aus.
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