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Archiv-Artikel

Ich habe boykottiert

Der Widerstand gegen die Gaspreiserhöhung wächst in Bremen zur größten Boykottbewegung seit der Volkszählung heran. An die 5.000 swb-Kunden haben bereits Widerspruch eingelegt. Die swb spricht von einer „sehr emotionalisierten“ Debatte

Bremen taz ■ An die 5.000 BremerInnen sind binnen acht Wochen dem Aufruf der Verbraucherzentrale und anderer Organisationen gefolgt, der Anhebung der Erdgaspreise um gut sechs Prozent zu widersprechen. Das teilte die swb AG auf Nachfrage mit. Ein Ende ist nicht in Sicht: Allein in der vergangenen Woche zählte das Energieversorgungsunternehmen rund 1.000 böse Briefe. Demnach hat sich inzwischen jeder 22. Gaskunde schriftlich gegen die neuen Preise verwahrt. „Das ist für uns auch ganz neu“, räumt swb-Sprecherin Angela Dittmer ein. Eine Boykottbewegung diesen Ausmaßes hat es in Bremen zuletzt zu Volkszählungszeiten gegeben.

Nach Meinung der Verbraucherschützer hätte die swb die Preise maximal um zwei Prozent anheben dürfen. Die wiederum beteuert, nur die ihr selbst von der Ruhrgas AG aufgedrückte Mehrbelastung weitergegeben zu haben, und beklagt die „sehr emotionalisierte“ Debatte. Im Schnitt, so versucht sie die aufgebrachten Kunden zu beruhigen, schlage die Preiserhöhung mit ganzen 4,40 Euro pro Monat zu Buche. Soll heißen: Eher nicht der Rede und schon gar nicht den Aufwand des Protestes wert.

Verbraucherschützerin Irmgard Czarnecki ist da ganz anderer Meinung. Die Gaspreise sollten schließlich im Januar schon wieder angehoben werden. Es gebe sehr wohl Verbraucher, die an der Mehrbelastung zu knappsen hätten. Und es gehe ums Prinzip: „Wer hat hier eigentlich das Recht, einfach so die Preise festzusetzen?“

Damit der Energieversorger den ihrer Ansicht nach überteuerten Preis nicht einfach vom Konto abbuchen könne, rät die Verbraucherzentrale inzwischen, der swb die Einzugsermächtigung komplett zu widerrufen – für diese ein enormer Verwaltungsaufwand. Monatlich nämlich muss sie dann Rechnungen verschicken, wie viele davon pünktlich und vollständig bezahlt werden, ist offen. Viele Protestler weigern sich zudem schlicht, die höheren Abschlagsbeträge zu zahlen, die die swb mit der Jahresschlussabrechnung festsetzt. Ab welchem Zahlungsrückstand tatsächlich Mahnschreiben versandt oder gar – schlimmstenfalls – Kunden das Gas abgedreht werde, konnte die swb nicht sagen.

Das Bundeskartellamt will demnächst entscheiden, ob es ein förmliches Verfahren gegen den Bremer Energieversorger einleitet wegen Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung. Bislang habe man lediglich von einzelnen Gasversorgungsunternehmen in Deutschland Stellungnahmen angefordert, sagt Kartellamts-Sprecherin Anja Scheidgen. Dass die swb AG nicht darunter sei, heiße aber nicht, „dass diese dann nicht ins Visier eines Verfahrens kommt“.

Unklar ist, wie die Gaskunden zu viel gezahltes Geld zurückbekommen, falls das Kartellamt die Preiserhöhung tatsächlich für unangemessen erklären sollte. Im Zweifelsfall müsse jeder einzelne Kunde vor Gericht klagen, sagt Scheidgen. Eine freiwillige Rückerstattung an alle Kunden schließt swb-Sprecherin Dittmer bereits aus: Geld zurück könne gegebenenfalls überhaupt nur bekommen, wer rechtzeitig Widerspruch einlege. Armin Simon