: Welcome, Herr Schmidt
Der Jubel über die Rückkehr von Harald Schmidt hat vor allem zwei Gründe: Er wird im Kampf gegen die Darstellungspolitik gebraucht – und im neu entbrannten Kampf der Geschlechter
VON PETER UNFRIED
Wenn die Journalisten Nils Minkmar (FAS) und Franz Josef Wagner (Bild) an einem Sonntag unisono jubeln, kann es eigentlich nur einen Grund geben: Harald Schmidt kehrt ins Fernsehen zurück. Und, was soll man sagen? So ist es. Eine „großartige Nachricht“, keuchte Haudrauf Wagner in BamS, selbstverständlich, ohne das auch nur ansatzweise inhaltlich zu begründen. Das leistete der FAS-Intellektuelle: Schmidt-Kucken könne „nahezu das gesamte andere Fernsehprogramm ersetzen“. Ein Schmidt in Bestform leiste „eine kollektive Analyse der Gegenwart mit den Mitteln des Humors“.
Tja, stimmt.
Schmidt (47) ist ohne Zweifel der wichtigste Welterklärer, der je aus Nürtingen kam – ob seit oder trotz Hölderlin, darüber sollte sich langsam mal die kriselnde Germanistik Gedanken machen. Seine Klasse und seine Wichtigkeit zeigen sich nicht zuletzt darin, dass er über die tiefsten Gräben der Gegenwart hinweg funktioniert: also von Bild bis taz, von Mann bis Frau – und von Intellektuellen bis zu mir.
Genau ein Jahr nach seiner letzten Sendung auf Sat.1, also am 23. Dezember soll er erstmals wieder um 23 Uhr für eine halbe Stunde auf Sendung gehen, und dann immer zweimal die Woche, mittwochs und donnerstags. Bei der ARD, so wie die taz das bereits am Tag seiner Demission gefordert hatte. Fix ist nix, aber ARD-Vorsitzender Jobst Plog geht „sicher davon aus“. Dies sei ein „Zeichen für die Dynamik der ARD“, sagt Plog. Somit besteht also die Dynamik der ARD darin, ein langes Jahr in aller Ruhe gewartet zu haben, bis Schmidt ihr erklärte, dass und wozu er bereit sei. Und das und den dafür zu bezahlenden Preis nun in den berühmten Gremien abzusegnen. Immerhin.
Man könnte denken wollen, das Leben ohne Late-Nite-Schmidt habe sich vom Leben mit Late-Nite-Schmidt so großartig nun auch nicht unterschieden. Weit gefehlt. Klar: Die Analyse der politischen Kultur und gesellschaftlichen Befindlichkeit wird auch anderswo versucht, teilweise vernünftig und teilweise auch kreativ. Aber keiner kann ein relatives Massenpublikum erreichen wie Schmidt, und keiner erreicht so viele Multiplikatoren. Vor allem hat keiner Schmidts Mittel zur Verfügung. Die institutionalisierte Politikberichterstattung kommt der Darstellungspolitik ja schon längst nicht mehr bei, da hilft meist auch keine Seite-3-Geschichte mehr. Im Gegenteil: Die Politikberichterstattung stützt letztlich die Darstellungspolitik, selbst wenn sie sie thematisiert. Weil ihr das moderne Instrumentarium fehlt. Das hat Harald Schmidt, das hat Jon Stewart, dessen Late Nite „Daily Show“ in den USA bekanntlich längst das politisch meinungsbildende Medium für jüngere US-Amerikaner ist. Und zwar nicht, obwohl es sich offiziell um eine Satire-Sendung handelt, sondern WEIL. Der subversive Untertitel der Show lautet „The most trusted name in Fake News“ – die Fake-Nachrichten, denen die Leute am meisten trauen. Der Vergleich meint nicht Comedy-Sendungen, sondern die „richtigen“ Nachrichten von CNN, ABC, NBC und CBS. Das ist der Witz und ja nun auch die Wahrheit. Insofern ist ARD-Plog zu loben, dass er das ansatzweise erkannt hat. Schmidt wird ja künftig nach den „Tagesthemen“ kommen. Und das, sagt Plog, sei „eine gewisse Ausgangsbasis für die Show“.
Schmidts Rückkehr kommt zu einem Zeitpunkt, da Deutschland und speziell seine Christliche Union grade wieder anfängt, neue Energie in Mann-Frau-Spielchen zu investieren. Grade noch schien es, als sei zivilisatorischer Fortschritt erreicht und die deutschen Männer ließen sich – klug oder auch nur resigniert – von den allgegenwärtigen neuen Moderatorinnen und deren sozialer Kompetenz daran hindern, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Und nun? Wollen sie – neuerdings zu Männerbünden formiert – die Köpfe der neuen Führungsfrauen einschlagen. Zunächst. Dabei schrecken sie vor den ältesten Tricks nicht zurück. So wird der offensichtlich relativ klugen Annette Schavan (CDU) vorgeworfen, sie sei eine ätherische Betschwester. Bei der offensichtlich relativ gut aussehenden Anke Engelke (Sat.1) dagegen wurde fehlende intellektuelle Potenz attestiert.
Insofern ist die Begeisterung über Schmidts Rückkehr auch die Fortsetzung des Leichtmatrosinnen-Vorwurfs an Engelke, seiner gescheiterten Nachfolgerin.
Der Ansatz freilich greift zu kurz: Nicht allen Männern – außerhalb der Medienredaktion der SZ – geht es darum, die Welt von einem Mann erklärt zu bekommen. Manchen geht es schlicht darum, dass man sie überhaupt wieder erklärt bekommt. Welcome back, Herr Schmidt. Es ist gut, dass Sie zurückkommen.