: Hinweis auf Verrat in den eigenen Reihen
Bei dem Anschlag auf irakische Nationalgardisten verfügten die Attentäter offenbar über interne Informationen. Es ist nicht der erste Hinweis auf Loyalitätsprobleme in der schlecht ausgebildeten Truppe. Die Gruppe Sarkawis bekennt sich zu dem Massaker
VON KARIM EL-GAWHARY
Als ob sich die Brutalität im Irak noch steigern ließe: Die jetzt bekannt gewordenen Details über die Exekution von 50 Nationalgardisten in der Provinz Diyala, 150 Kilometer nordöstlich von Bagdad, zeugt von einer neuen Qualität und entbehrt nicht einer gewissen Paradoxie, was das Tragen der Uniformen betrifft.
Drei private Busse voller Rekruten der irakischen Nationalgarde, die unbewaffnet in Zivilkleidung mit ihrem ersten Gehalt in der Tasche auf dem Weg zu ihrem dreiwöchigen Heimaturlaub waren, wurden am Sonntag an einer Straßensperre von Männer in Polizeiuniform aufgehalten. Die Polizisten erwiesen sich schnell als falsch. Nachdem sie die Insassen der Busse zum Aufsteigen auffordert hatten, fesselten sie deren Hände auf dem Rücken und befahlen ihnen, sich geordnet in mehreren Reihen auf den Boden zu legen. Danach schossen sie einem nach dem anderen jeweils eine einzige Kugel in den Kopf. Bei den Toten handelt es sich allesamt um junge Schiiten, die aus den verarmten Kleinstädten an der iranischen Grenze zur Nationalgarde gestoßen waren, um dort eine Anstellung zu finden und ausgebildet zu werden.
Für das Massaker an den Gardisten zeichnete sich später im Internet die Gruppe Abu Musab Sarkawis verantwortlich, die sich erst vor wenigen Tagen von „Monotheismus und Dschihad“ in „Al-Qaida für den heiligen Krieg im Irak“ umgetauft hatte. „Die vom Islam abtrünnigen Gardisten sind von Mudschaheddin umgebracht worden. Zwei Fahrzeuge und ihre Gehälter, die sie von ihren amerikanischen Gebietern erhalten haben, wurden gestohlen“, heißt es in der Erklärung, deren Echtheit nicht bestätigt werden konnte. Auf Sarkawi haben die US-Behörden inzwischen ein Kopfgeld von 25 Millionen Dollar ausgesetzt, der gleichen Summe, die für das Ergreifen oder die Ermordung von Al-Qaida-Chef Ussama Bin Ladens geboten wird.
Aqil Hamed Al-Adili, der Gouverneur von Diyala, äußerte in der arabischen Fernsehstation al-Arabiya den Verdacht, dass die Angreifer ihre Informationen aus den Reihen der Nationalgarde erhalten haben könnten. „Ansonsten hätten sie von der Abfahrt der Gardisten aus ihrem Trainingslager und der Tatsache, das sie unbewaffnet waren, nichts gewusst“, sagte er.
Das wäre bereits das zweite Mal innerhalb einer Woche, dass möglicherweise interne Informationen aus der Nationalgarde bei Angriffen eine Rolle spielten. Am 19. Oktober hatten Unbekannte mehrere Granatenrunden in das Hauptquartier der Garde in Mushahida, 40 Kilometer nördlich der Hauptstadt gefeuert. Der Angriff kam just in dem Moment, als sich 550 Nationalgardisten auf dem Hof zum Rapport formiert hatten. Vier Gardisten kamen dabei ums Leben, weitere 80 wurden zum Teil schwer verletzt und wurden mit US-Militärhubschraubern abtransportiert.
Die Loyalität der 30.000 schlecht ausgebildeten und miserabel ausgerüsteten Nationalgardisten wurde bereits mehr als einmal in Frage gestellt. Im April dieses Jahres weigerte sich ein großer Teil von ihnen, am US-Angriff auf Falludscha teilzunehmen – mit dem Argument, nicht auf andere Iraker schießen zu wollen. Das US-Militär gab daraufhin offen zu, dass es zwar mit der Hälfte der Gardisten keinerlei Probleme gebe, dass aber ein Viertel nach jeder Ausbildung desertiert sei und ein weiteres Viertel heimlich mit der Guerilla zusammenarbeite.
Erst Ende letzten Monats war der Chef der Nationalgarde in der Provinz Diyala, in der jetzt das Massaker stattgefunden hat, nach nur einer Woche im Amt von der US-Armee festgenommen worden. In einer Erklärung der US-Armee hieß es anschließend lapidar: „General Talib Al-Lahibi, der drei Bataillone der Nationalgardisten befehligte, hat mit den Aufständischen zusammengearbeitet.“
In Bagdad kamen gestern bei einem Autobombenanschlag drei Iraker getötet. Drei weitere sowie drei australische Soldaten verletzt. Es handelte sich um den ersten Anschlag auf einen australischen Militärkonvoi im Irak, wie ein Militärsprecher mitteilte.