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Braune Socken ohne Schuhwerk

Für die 142 Neonazis, die am Samstag in Kalk demonstrierten, war es ungemütlich: Rund 1.500 Kölner Bürger stellten sich dem braunen Mob in den Weg. Vor ihrem Marsch durch den Regen mussten etliche Rechtsextreme die Springerstiefel ausziehen

von PASCAL BEUCKER und FRANK ÜBERALL

Wasserwerfer, Räumpanzer und ein Großaufgebot behelmter Polizisten in schweren Schutzwesten, an jeder Ecke Absperrungen und unzählige geschlossene Geschäfte – in Kalk herrschte am Samstag der Ausnahmezustand: Der braune Mob hatte sich zum ungebetenen Besuch in dem Kölner Stadtteil angesagt.

Kurz nach 12 Uhr strömten sie aus der U-Bahn-Station auf den umzäunten Platz vor der Kalker Post: 142 Rechtsextreme, die meisten aus der Szene der „freien Kameradschaften“ und aus dem Ruhrgebiet stammend, waren dem Aufruf des Hamburger Neonazis Christian Worch gefolgt, um unter der Hetzparole „Multi-Kulti? Nicht mit uns!“ in Köln zu demonstrieren.

Ihr ursprüngliches Motto „180 Nationalitäten in Köln sind 179 Nationalitäten zu viel“ war ihnen indes ebenso polizeilich untersagt worden wie das Rufen der Parole „Deutschland den Deutschen“. Auch ansonsten hatte die Polizei den braunen Aufmarsch mit einer ganzen Reihe von Auflagen versehen. Dazu gehörte, dass den Teilnehmern unter anderem das Tragen von „Springerstiefeln“ und „Bomberjacken“ ebenso untersagt war wie militärische oder militärähnliche Kopfbedeckungen. Ebenso durfte ihre Kleidung keine NS-Abkürzungen oder erkennbare Abkürzungsteile verbotener Parteien oder Gruppierungen aufweisen.

Für etliche der braunen Gesellen war allerdings der polizeiliche Auflagenbescheid offenkundig zu kompliziert gewesen: Sie kamen in ihrem „üblichen“ Outfit in die Domstadt – ein dummer Fehler: Denn jeder einzelne von ihnen wurde vor Demonstrationsbeginn genau kontrolliert. Beinahe zwei Stunden dauerte die Prozedur und anschließend verließen viele Kameraden das extra zu diesem Zweck von der Polizei aufgebaute Zelt mit Müllbeuteln in der Hand. In die waren nicht nur etliche Kleidungsstücke gewandert, sondern auch manches Paar Schuhe, so dass etliche „Herrenmenschen“ ihren Marsch durch Kalk auf notdürftig mit Plastiktüten verhüllten Socken zurücklegen mussten. Das lächerliche Bild, das die Müllbeutel-Nazis so abgaben, sorgte immer wieder für gehörigen Spott am Wegesrand.

Ohnehin war es kein besonders guter Tag für sie: Im strömenden Regen wurden sie immer wieder auf ihrem Weg von Kalk-Post über Seitenstraßen nach Kalk-Kapelle von Anwohnern mit Obst und Gemüse beworfen, auch manches Ei verfehlte nicht sein Ziel. Hinzu kamen noch die unzähligen Spottrufe, die das von Worch, dem Kölner „Kameradschaftsführer“ Axel Reitz und dem Frankfurter Alt-Nazi Otto Riehs angeführte Häuflein über sich ergehen lassen musste. An jeder Ecke warteten schon Gegendemonstranten, darunter viele, vorwiegend junge Migranten. Und die forderten nicht nur selbstbewusst auf einem Transparent „Deutscht uns nicht voll!“, sondern bereicherten zudem das übliche „Nazi raus!“-Repertoire um neue kreative Rufe wie beispielsweise „Eure Opas sind Verlierer!“

Um eine unmittelbare Konfrontation zwischen Nazis und den insgesamt 1.500 Gegendemonstranten zu verhindern, hatte die Polizei ein Großaufgebot von weit über tausend Polizisten aufgefahren. Rund 500 Protestierer, die versuchten, eine Absprerrung zu durchbrechen, wurden sie für mehrere Stunden eingekesselt. Von etwa 400 von ihnen wurden Personalien festgestellt und Platzverweise erteilt. Entlang der rechten Route gelang es nur einmal, auf einer Kreuzung den Zug für gut zehn Minuten zu stoppen. Insgesamt wurden 28 Personen fest- oder in Gewahrsam genommen. Auf einen Neonazi, bei dem ein Springmesser gefunden wurde, wartet jetzt ein Ermittlungsverfahren.

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