: Ethnie und Region
Die Chanten sind ein Ob-ugrisches sibirisches Volk (alte Bezeichnung: Ostjaken, Selbstbezeichnung: Chanty), verwandt mit den Finnen und Ungarn. Sie siedeln etwa seit dem 11. Jahrhundert nordöstlich des Urals in der Westsibirischen Tiefebene im größten Sumpfgebiet der Welt. Im 16. Jahrhundert wurde das Territorium der Chanten durch Russland eingenommen.
Taiga und Tundra sind durch Dauerfrostboden sowie lange, kalte Winter und kurze, heiße Sommer gekennzeichnet. Ein Überleben in dieser kargen Gegend ist sehr schwierig. Deswegen leben trotz Maßnahmen zur Kollektivierung in den 1920er-Jahren bis heute noch viele Chanten auf traditionelle Weise in kleinen Familiengruppen. Nach dem Bevölkerungszensus von 1989 bezeichnen sich ca. 22.500 Menschen als Chanten.
Seit der Entdeckung von Erdgas und Öl auf ihrem Siedlungsgebiet Mitte der Fünfzigerjahre setzten einschneidende Veränderungen ein. Doch erst die rasante Intensivierung der Rohstoffförderung durch die Ölindustrie seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion brachte ihren Lebensraum 1995 an den Rand einer Umweltkatastrophe.
Die Kinder der Chanten werden ab dem sechsten Lebensjahr in Internatsschulen geholt und leben fast das ganze Jahr mit Ausnahme der großen Sommerferien getrennt von ihren Eltern. In den Internaten wird aufgrund des Personals russisch gesprochen. In den Schulen wird Chantisch als Fremdsprache unterrichtet, die russischen Kinder lernen es allerdings nicht , deshalb gilt als Kommunikationssprache auch in den Schulen fast ausschließlich Russisch. Die eigene Sprache wird von der jungen chantischen Generation immer weniger gesprochen. Hinzu kommt, dass aufgrund der Verschlechterung der Wirtschaftssituation in ihren Gebieten viele Chanten in die Städte abwandern.
Die in den Neunzigerjahren gegründeten und anfangs erfolgreichen Bewegungen der indigenen sibirischen Völker gegen die wachsende Umweltverschmutzung, zum Schutz und Ausbau ihrer Rechte auf Bodenbesitz, Kompensation, Selbstbestimmung und zur Wiederbelebung ihrer Kultur haben in den letzten Jahren im Kampf gegen die Erdölindustrie wieder an Einfluss verloren. Der Bevölkerungsanteil der Chanten, der sich vor Beginn des intensiven Rohstoffabbaus bis 1989 vervierfacht hatte, fällt inzwischen wieder. VERA THÜMMEL