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Archiv-Artikel

Rebellen in Nigeria drohen: ab Freitag Krieg

In Nigerias Ölfördergebieten tobt ein Aufstand. Nun kündigt Rebellenchef Dokubo Asari den „totalen Kampf“ an

BERLIN taz ■ Nigeria, siebtgrößter Ölexporteur der Welt und fünftgrößter der Opec, feiert am kommenden Freitag seinen 44. Unabhängigkeitstag. Pünktlich zu diesem Termin drohen Rebellen in den Ölfeldern des Niger-Flussdeltas mit dem Beginn eines „totalen bewaffneten Kampfes“ und sorgen damit für Panik an den Weltmärkten. Alhaji Dokubo Asari, Führer der bewaffneten Jugendmiliz „Niger Delta People’s Volunteer Force“, sagte am Wochenende: „Wir werden Regierungseinrichtungen und Personal der Ölfirmen angreifen.“ Alle westlichen Ausländer sollten die Region verlassen.

Seit mehreren Monaten schon befindet sich Dokubo Asaris Gruppe mit etwa 2.000 Kämpfern rund um Nigerias größte Ölstadt Port Harcourt im Krieg gegen die Armee und regierungstreue Milizen. Dokubo Asari, ein zum Islam übergetretener ehemaliger radikaler Studentenführer, ist der wichtigste Rebellenführer des Niger-Deltas, und seine Ethnie der Ijaw ist die viertgrößte Nigerias. Am Wochenende erneuerte ein Ijaw-Exilkongress in London die Klagen über Benachteiligung, die so alt sind wie Nigerias Ölförderung: Öl im Wert von mittlerweile 80 Millionen Dollar täglich wird seit über 40 Jahren in Nigeria gefördert, aber die Bewohner der Ölregionen leben in absoluter Armut.

Der Krieg von Nigerias Militär gegen die bewaffneten Ijaw-Milizen hat nach Schätzungen von amnesty international in den letzten Wochen 500 Tote gefordert. Er geht einher mit Luftangriffen aus Hubschraubern auf dicht besiedelte Rebellenhochburgen. Letzte Woche warfen Ijaw-Gruppen dem Militär sogar den Einsatz chemischer Waffen vor. Die Ölfirmen Shell und Agip, berichtete gestern die britische Presseagentur Press Association, lieferten der Regierung für die Luftangriffe die Hubschrauber und Landkarten. Die Konzerne lehnten eine Stellungnahme zu diesen Anschuldigungen ab.

Am Sonntag verkündete Dokubo Asari die Ausweitung seines bisher auf Port Harcourt und Umgebung begrenzten Krieges auf das ganze Niger-Flussdelta. Seitdem bereiten sich die Ölmultis diskret auf den Rückzug vor. Shell, größter Ölförderer in Nigeria, drosselte seine Förderung leicht; bereits Ende letzter Woche zog der Konzern 254 „nicht-essenzielle“ ausländische Mitarbeiter aus seiner Gas-Pumpstation Soku beim Ölhafen Bonny ab, weil Gerüchte über einen bevorstehenden Angriff der Ijaw-Milizen die Runde machten. Bei Soku wurden am Montag zwei Soldaten von Rebellen getötet.

Schon letztes Jahr hatten Ijaw-Aufstände und Kämpfe zwischen Milizen zeitweise zum Ausfall von 40 Prozent der nigerianischen Ölförderung (2,25 Millionen Barrel pro Tag) geführt – ohne größere Auswirkungen auf die Ölpreise. Diesmal ist der Weltmarkt nervöser, die Ölstaaten Afrikas sind für die USA viel wichtiger – und die nigerianischen Rebellen sind besser koordiniert und bewaffnet.

Parallel zur Kriegsdrohung in den Ölfeldern ruft überdies Nigerias Gewerkschaftsbund NLC ab 11. Oktober zum landesweiten Generalstreik. Einer der Gründe ist typisch nigerianisch: Nigerias Oberstes Gericht hatte befunden, der NLC habe kein Recht, zu einem landesweiten Generalstreik aufzurufen. Auch die Revolte in den Ölfeldern endet wohl erst, wenn die Bewohner der Ölgebiete das Recht bekommen, gegen ihre schlechten Lebensverhältnisse zu protestieren. DOMINIC JOHNSON