piwik no script img

Sushi zum Lesen

Die Verlagsgruppe Handelsblatt „launcht“ heute im Raum Frankfurt eine neue Tageszeitung für die „iPod-Generation“ – diese Wortwahl sagt alles

AUS FRANKFURTKLAUS-PETER KLINGENSCHMITT

Es steht tatsächlich „launcht“ in der Überschrift der aktuellen Presseerklärung der für die neue Zeitung News neu gegründeten News Verlagsgesellschaft GmbH & Co. KG mit Sitz in der Eschersheimer Landstraße in Frankfurt am Main – in direkter Nachbarschaft der Frankfurter Rundschau (FR) also. Langenscheidt übersetzt „launcht“ primär mit: „Ein Schiff vom Stapel lassen!“ Oder mit: „Eine Granate abfeuern“. Und eine „Granate“ soll das Blatt auch werden, das ab heute in einer Auflage von 25.000 Stück im gesamten Rhein-Main-Gebiet zum hart kalkulierten Preis von nur 50 Cent der „iPod-Generation“ angeboten wird. Die flugs ausgerufene Generation der Leute also, die sich das Status-Symbol „iPod“ zugelegt haben oder zulegen würden. Springer bearbeitet denselben Markt mit Welt kompakt. Und noch billiger geht’s regional im Raum Cottbus, wo Holtzbrinck mit 20 Cent die Leser zurückholen soll, die der Verlag mit der Lausitzer Rundschau vergrault hat.

Aus Rücksicht auf nicht eben jugendliche Kolumnisten aus dem muffigen Handelsblatt oder dem Showbusiness (Michel Friedman) strapazierte Chefredakteur Klaus Madzia lieber die Metapher vom „Boot“, das nach nur drei Monaten Bauzeit ohne lange Probephase „zu Wasser gelassen“ worden sei. Mit Kampfpreisen will News den Etablierten zudem auch auf dem Anzeigenmarkt das Wasser abgraben.

„Granatwerfer“ Wolfgang Ernd, einer der beiden Verlagsgeschäftsführer, glaubt jedenfalls, dass News in eine Marktlücke stoße, die zu füllen die etablierten Tageszeitungen nicht in der Lage seien, weil sich deren Stammleser aus der Generation der 40 bis 60 Jahre alten „traditionellen Zeitungsleser“ fast aller sozialen Schichten rekrutierten. Entsprechend seien die Blätter strukturiert. News dagegen sei konzipiert worden für eine „völlig neue Zielgruppe“, die Ernd in zwei Kategorien aufteilte: die „Durchstarter“ und die „Familienmenschen“.

Die „Durchstarter“ seien zwischen 20 und 34 Jahre alt, beruflich stark eingespannt und konsumorientiert. Häufig seien „Durchstarter“ Singles, die auf Fitness und Gesundheit achteten. Am Abend treffe man diese Spezies in den Szenebars, an den Wochenenden beim Ausüben von Trendsportarten. Die „Familienmenschen“ lebten zwar auch in einem urbanen Umfeld, auch ihre gute wirtschaftliche Situation gestatte eine „hohe Konsumneigung“, so Ernd weiter. Doch bei den „Familienmenschen“ bestimmten häufig die Kinder schon mit – bei den Einkäufen und bei den Freizeitaktivitäten.

Auf 300.000 Menschen schätzen die Macher von News das humane Potenzial der „iPod-Generation“, 80.000 davon alleine in Frankfurt.

Alle hätten sie „finanzielles Potenzial und keine Zeit“ (Ernd) – zur Zeit jedenfalls, eine der umfangreichen Tageszeitungen wie etwa die FAZ oder die FR zu lesen. News dagegen sei „in zehn bis zwanzig Minuten ausgelesen“, so Verlagsgeschäftsführer Harald Müsse. News im ganz handlichen Tabloidformat ist also der Quickie unter den Tageszeitungen und informiert „häppchenweise, dafür aber punktgenau“, so Müsse weiter. Das passt zu deren Essgewohnheiten: Fastfood. Sushi für die „Durchstarter“. Und Burger für die „Familienmenschen“. Und jetzt gibt es die richtige Zeitung dazu.

Ein bisschen große Politik, ein bisschen „Wirtschaft, leicht gemacht“ (Madzia), viel Sport und noch mehr Events. Und „Frankfurt geht aus“ im zweiten Buch; konzipiert in Zusammenarbeit mit dem Journal Frankfurt.

Den Handverkäufern von News bietet das Blatt übrigens schon einmal den amerikanischen Traum vom grenzenlosen Aufstieg im zeitungstypischen Kleinformat an: „Vom Zeitungsjungen zum Redakteur“. Unter Tarif bezahlt, versteht sich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen