REPARATIONSFORDERUNGEN: POLEN IST VON DEUTSCHLAND TIEF ENTTÄUSCHT : Gefühl massiver Bedrohung
Auch in Sonntagsreden lässt sich nicht mehr leugnen: So schlecht wie derzeit waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen schon seit Jahren nicht mehr. Die Reparationsforderungen des polnischen Parlaments sind eine Reaktion auf die seit Jahren und in immer schärferem Tonfall vorgebrachten Eigentums- und Entschädigungsforderungen der deutschen Vertriebenen. Der Grund für die tiefe Enttäuschung der Polen über den Nachbarn Deutschland liegt aber tiefer. Schon der Streit um den Irakkrieg hatte einen ersten Riss in der deutsch-polnischen Freundschaft zufolge, und insbesondere die Debatte um das Zentrum gegen Vertreibungen hatte in Polen den Eindruck erweckt, als würden die Deutschen die Geschichte umschreiben wollen.
Da die BDV-Vorsitzende Erika Steinbach Polen und Tschechen mit Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof drohte, wenn diese die Entschädigungsfrage vor ihrem EU-Beitritt nicht regelten, geriet die CDU-Politikerin bald zur zentralen Projektionsfigur tief sitzender Ängste vor den Deutschen. Äußerungen Steinbachs, dass ein „Eiterherd“ im Körper der EU entstehe, wenn Polen nicht das Misstrauen gegenüber den Vertriebenen aufbreche, heizten die Stimmung weiter an. Es bedürfe „keiner Kampfflugzeuge“, schrieb sie an anderer Stelle. „Ein schlichtes Veto zur Aufnahme uneinsichtiger Kandidaten ist ausreichend.“
Als dann auch noch prominente BdV-Funktionäre die Preußische Treuhand gründeten und Polen ebenfalls mit Klagen drohten, diesmal aber in bewusster Anlehnung an die Jewish Claims Conference, entstand in Polen das Gefühl einer massiven Bedrohung durch die Deutschen, gegen die man sich verteidigen müsse. Am besten mit einer ebensolchen Flut von individuellen Reparationsklagen. Vielleicht hätte die Sejm-Entschließung verhindert werden können, wenn die Ängste der Polen in der Bundesrepublik ernster genommen worden wären. Das Thema wird so bald nicht von der Tagesordnung verschwinden: Demnächst stehen Wahlen an, und die rechtsnationalen Parteien wollen mit der antideutschen Karte auftrumpfen. Aus dem polnischen Außenministerium sind dann andere Stimmen zu erwarten. GABRIELE LESSER