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Archiv-Artikel

DIE MEDIEN-KAMPAGNE FÜR „PRESSEFREIHEIT“ IST GRANDIOS GESCHEITERT Caroline, die falsche Gewinnerin

Ausgerechnet die rot-grüne Bundesregierung hat offenbar ein Faible für Fürsten. Sie wird nicht gegen das „Caroline-Urteil“ des Europäischen Menschengerichtshofs in Straßburg vorgehen, sondern interpretiert es quasi als Beitrag zum politischen Diskurs um. Das Argument von Justizministerin Brigitte Zypries: Zwar sei die Bundesrepublik Deutschland, nicht aber das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe an das Urteil gebunden.

Rechtlich ist das natürlich richtig. Nur: Der Presse hilft das wenig. Denn der Menschengerichtshof kann zum Beispiel – ganz ohne irgendein deutsches Verfassungsgericht zu fragen – Schadenersatzansprüche verhängen. Und damit die künftige Berichterstattung über Prominente heftig beeinflussen. Dass die Bundesjustizministerin dieses kleine Detail übersehen haben soll, ist schwerlich vorstellbar. Und ihr frommes Sprüchlein, dass Politiker ohnehin nicht von dem Urteil betroffen seien, weil der Straßburger Spruch sie ausdrücklich ausschließe, ist wohlfeil.

Der Grund für die schnelle und klare Positionierung der Bundesregierung nach wochenlangem Schweigen dürfte dabei auch in der Pressekampagne der letzten Tage zu suchen sein: Eine atemberaubende Koalition hatte sich da zusammengefunden. Unter Führung der Boulevardpresse und diverser goldener Blättchen mit Herz, für die es tatsächlich um etwas geht. Es marschierte so ziemlich alles auf, von Spiegel bis Ruhr Nachrichten, von Neuem Blatt bis Financial Times Deutschland. Tenor: Der Journalismus als solcher ist in Gefahr, die Pressefreiheit ist bedroht. „Zensur!“, schrie es.

Zwar wurde bei alldem nicht einmal klar, ob denn künftig nur Fotos ohne weiter gehenden Informations-, dafür aber mit Unterhaltungswert verboten seien – um die war es im Straßburger Prozess gegangen. Oder, wie die in Bild versammelten Chefredakteure suggerierten, auch jegliche Textberichterstattung. Selten sah man eine Kampagne, die dank undifferenzierter Darstellung derart grandios in die Hose ging. Gewonnen hat so klar die Falsche – Caroline. STEFFEN GRIMBERG