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Archiv-Artikel

Homo passt nicht ins Rasta

Reggae-Stars aus Jamaika hetzen in ihren Songs gegen Schwule. Während die Fans dies bisher ignorierten, machen Homoverbände in Deutschland nun richtig Druck und lassen Konzerte verbieten

VON MARTIN REICHERT

Wenn manche Menschen wüssten, was die englischen Texte bedeuten, die sie gerade wieder mitgesungen und mitgesummt haben, würde ihnen ganz blümerant: „Hey, Säugling, da ist eine Party, unten am Strand“ („There’s a Party“, DJ Bobo) oder aber: „Schieß einem Schwulen in den Kopf, richtige Jungs unterstützen keine Schwulen“ („Boom bye bye“, Buju Banton).

Der jamaikanische Dancehall-Reggae Star Buju Banton ruft in diesem Lied aus dem Jahr 1992 offen dazu auf, Homosexuelle durch Kopfschuss, Säureattentat oder Brandanschlag zu ermorden. Am kommenden Mittwoch wird er in der Berliner Kulturbrauerei auftreten, allerdings nur, wenn der Veranstalter „Consense“ dem Druck des deutschen Schwulen- und Lesbenverbandes (LSVD) standhält: Der Verband hat bereits die Absage diverser Konzerte in Deutschland erwirkt. Diejenigen, die stattgefunden haben, etwa in Hamm, wurden auf Weisung des Innenministeriums polizeilich überwacht, denn Banton darf seinen homophoben Klassiker in Deutschland nicht singen.

Es ist schon lange bekannt, dass einige Dancehall- und Reggaemusiker mit ihren Songs gegen Schwule und Lesben hetzen, in Deutschland wurde dieser unangenehme Beigeschmack bislang weitestgehend ignoriert, zum Teil auch einfach als Teil der jamaikanischen Macho-Kultur hingenommen: Ein bisschen befremdlich, aber die Musik ist doch so toll.

Es lohnt sich jedoch, den Kontext des Gehörten zu ergründen: Auf Jamaika ist die Homophobie kulturell zutiefst verankert: zum einen bedingt durch eine sehr textnahe Interpretation des Alten Testaments, zum anderen durch die Vorstellung, dass Homosexualität eine Erfindung der kolonialistischen Unterdrücker sei. Es ist auf Jamaika Konsens, Homosexualität abzulehnen, für Künstler wie Beenie Man oder die Boygroup T.O.K. ist es Ausdruck religiöser Rechtschaffenheit, die „Batty Boys“ oder „Chi Chi Men“, so werden Schwule auf Jamaika bezeichnet, zu attackieren und zu ihrer Ermordung aufzurufen.

Diese Mentalität wird nicht erst zum Problem, wenn sie exportiert wird: Im Juni wurde der Gründer der jamaikanischen Schwulenorganisation J-Flag, Brian Williamson, brutal ermordet. Siebzig Messerstiche verweisen durchaus auf ein Hassverbrechen und nicht auf einen normalen Raubmord, von dem die jamaikanische Polizei bislang ausgeht. Kurz vor Williamsons Ermordung hatte amnesty international die extrem homofeindlichen jamaikanischen Gesetze angeprangert. Wenn Rastamann Buju Banton nach Jamaika zurückkehren wird, erwartet ihn bereits die Polizei: Er soll an einem Überfall beteiligt gewesen sein, bei dem zwei Schwule krankenhausreif geschlagen wurden.

Homosexuelle Bürgerrechtsorganisationen haben für den kommenden Mittwoch eine Demonstration vor dem Veranstaltungsort in Berlin angekündigt. Und der Konzertveranstalter „Consense“, der im Auftrag des Berliner Kultursenats arbeitet, wurde von diesem gestern zu einem Kompromiss verdonnert: Banton soll sich öffentlich entschuldigen und von seinem Songtext distanzieren, erst dann darf er singen. Bislang hat er noch nicht reagiert.