lexikon der globalisierung : Was ist eigentlich „Klimapolitik“?
In unser Klimasystem, das seit 8.000 Jahre relativ stabil ist, hat der Mensch gewissermaßen einen Wimpernschlag lang eingegriffen. Seit der „kurzen“ Phase der industriellen Revolution ist mit dem entfesselten Raubbau an den fossilen Erdlagern für Kohle, Gas und Öl und ihrer Verbrennung die Konzentration der so genannten Treibhausgase in der Atmosphäre signifikant gestiegen.
Der Treibhauseffekt führte im 20. Jahrhundert zu einem Anstieg der globalen Mitteltemperatur auf der Erde um circa 0,6 Grad Celsius. Tropenwälder, Korallenriffe, Gletscher und landwirtschaftliche Anbauflächen werden durch den Temperaturanstieg in Mitleidenschaft gezogen. Dürreperioden werden länger, Tropenkrankheiten nehmen zu, und Extremwetterereignisse wie Stürme oder Überschwemmungen häufen sich.
Mit der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) soll versucht werden, „die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird“ (Art. 2). Die Konvention trat am 21. März 1994 völkerrechtlich in Kraft. Seither finden jährlich die internationalen Klimakonferenzen statt.
1997 in Kioto verständigten sich die Industrieländer darauf, bis 2012 ihre Emissionen im Durchschnitt um 5,2 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Zwar haben 120 Länder das Kioto-Protokoll ratifiziert – jedoch nicht Russland. Ohne Russland tritt das Protokoll nicht in Kraft. Denn es müssen so viele Länder unterzeichnen, dass 55 Prozent der Emissionen aller Industrieländer zusammenkommen, und die energiehungrigen USA sind 2001 aus dem Kioto-Prozess ausgestiegen.
Große Schwierigkeiten bereitet auch die Umsetzung der global verhandelten Steuerungsinstrumente am lokalen Ort. So wächst etwa in den Entwicklungsländern der Protest der indigenen Bevölkerung gegen Aufforstungsprojekte (so genannte CO2-Senken), durch die Kohlendioxid gebunden wird. Nach den vereinbarten Durchführungsbestimmungen können sowohl Monokulturen angelegt und standortfremde Baumarten gepflanzt als auch gentechnisch veränderte Organismen zur Aufforstung verwendet werden.
In den Industrieländern hingegen werden gleichzeitig nur geringe Reduktionsziele durch den Handel mit Treibhausgasemissionen definiert, weil die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft nicht beeinträchtigt werden soll.
Klimapolitik ist ein politisch brisantes Konfliktfeld, in dem Wirtschafts-, Umwelt-, Entwicklungs-, Verkehrs- und Finanzpolitik aufs engste miteinander verwoben und die Interessenlagen oft gegenläufig sind. Zugleich lässt sich Klimapolitik nur noch als komplexes Mehrebenensystem sinnvoll charakterisieren, in dem lokale, nationale und internationale Prozesse in oft widersprüchlicher Form zusammenlaufen.
Von einem globalen Umweltproblem auf ein gemeinsames Menschheitsinteresse zu schließen, greift vor diesem Hintergrund zu kurz.
ACHIM BRUNNENGRÄBER
Das Lexikon erscheint in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat von Attac jeden Montag