flüchtling abgetaucht: Viel Glück, Siva!
Die Bundesrepublik schmückt sich gerne mit ihren demokratischen Errungenschaften. So steht am Spreeufer vor dem Jakob-Kaiser-Haus, dem Haus der Fraktionen des Bundestags, eine Glaswand mit den ersten 19 Artikeln des Grundgesetzes. „Gerade diese Arbeit ist es, mit der sich dieses Parlament identifiziert und sich Bürgerinnen, Bürgern und ausländischen Gästen darstellt“, lobte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse den Bildhauer Dani Karavan. Das Grundgesetz werde durch seine Arbeit wortwörtlich anschaulich, so Thierse. Wortwörtlich heißt es auf der Tafel 16: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Ohne Einschränkung. Karavan wählte für sein Werk die ursprüngliche Gesetzesfassung von 1949.
KOMMENTAR VON GEREON ASMUTH
Die aber ist längst Geschichte. Das Asylrecht ist mittlerweile zur Farce verkommen. Wer sich, wie der Tamile Siva, darauf berufen will, verstrickt sich zwangsläufig in einem Paragrafendschungel, der nur ein Ziel hat: Abschreckung. Nun ist Siva abgetaucht. Er hat sich privat auf die Suche nach einem Asyl gemacht, das seinen Namen verdient. Man muss ihm dabei Glück wünschen. Auf angemessene, staatliche Hilfe darf Siva leider nicht mehr vertrauen.
Die demokratischen Errungenschaften der Bundesrepublik garantieren zwar weiterhin eine ausgewogene Rechtsprechung. Wenn aber nicht einmal deutliche Folterspuren als Asylgrund ausreichen, ist die Grundlage dieser Rechtsprechung alles andere als humanitär.
Der laut Thierse „eminent politische Künstler“ Karavan schuf noch ein anderes Mahnmal. Für Walter Benjamin. In Port Bou. Der Philosoph hatte sich in dem spanisch-französischen Grenzort 1940 das Leben genommen – auf der Flucht vor den Nazis war ihm die Weiterreise durch Spanien untersagt worden.
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