: Warte, bis es dunkel wird
„Kino ist nicht mehr die brillanteste Sache der Welt“: Das Blow Up existiert nicht mehr. Ein Gespräch mit dem Betreiber Frank Zilm über Besucherschwund und den Mainstream des Arthouse-Films
INTERVIEW ANDREA EDLINGER
taz: Herr Zilm, war Ihnen schon länger klar, dass das Blow Up geschlossen werden muss?
Frank Zilm: Die Situation gab es schon eine Weile, aber ich habe immer die Hoffnung gehabt, dass es noch zu einer Lösung kommen könnte. Den Gedanken, dass der Ort nicht mehr mit mir verbunden sein könnte, habe ich lange Zeit nicht denken können.
Das klingt, als gehe Ihr Lebenswerk zu Ende.
Das nicht, aber ein wichtiger Abschnitt meines Lebens ist vorbei, und das ist schmerzhaft, auch wenn sich neue Dinge ergeben werden.
Das Blow Up ist mit dem Preis für ein herausragendes Jahresfilmprogramm 2000 ausgezeichnet worden. War damals die Situation besser?
2000 war der Höhepunkt des Multiplex-Booms. Trotz dieses Booms haben wir damals daran geglaubt, dass es wichtige Bereiche gibt, die vom Multiplex nicht abgedeckt werden können, und dass wir ein ganz eigenes Profil haben. Wir haben ja auch vor zwei Jahren umgebaut und einen Sitzkomfort geschaffen, der Multiplex-kompatibel ist. Das hat uns zu der Hoffnung berechtigt, dass es eine Perspektive für Kinos wie das Blow Up geben kann.
Haben Sie denn nach dem Umbau einen merklichen Publikumszuwachs verzeichnen können?
Ja, aber im Großen und Ganzen hat sich ein Trend fortgesetzt, der sich schon vor fünf Jahren angekündigt hat. Die Leute geben immer weniger Geld aus. Darunter leidet die ganze Kinobranche, aber besonders der Bereich des anspruchsvollen Films.
Ist der DVD- und Videomarkt eine zu starke Konkurrenz?
Der spielt natürlich eine ganz große Rolle. Es gibt ein verändertes Freizeitverhalten: Viele Leute gehen nur noch gezielt ins Kino. Die Aufmerksamkeit konzentriert sich auf relativ wenige Filme. Ganz viele andere, die ähnliches Interesse verdient hätten oder sogar besser sind, werden vom Publikum gar nicht wahrgenommen.
Das gilt für den Mainstream-, aber auch für den Arthouse-Bereich. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf Filme wie „Schultze Gets the Blues“ oder „Gegen die Wand“. Andere finden nur ein schmales Publikum – wie „Station Agent“, ein toller kleiner Film aus den USA.
Unterscheidet sich die Berliner Kinolandschaft denn sehr von der anderer deutscher Städte?
Auf der einen Seite gibt es eine Vielfalt an unterschiedlichen Spielstätten mit jeweils eigenem Charakter. Auf der anderen Seite gibt es aber so etwas wie das erste Multiplex, das nur Arthouse-Produktionen anbietet, die Kulturbrauerei. Dann gibt es das Sony Center am Potsdamer Platz, das nur Originalversionen spielt. Das war eine Sache, die im Off-Kino-Bereich zu Hause war. Die Großkinos kopieren teilweise hemmungslos die Konzepte, die im Off-Kino-Bereich entwickelt wurden.
Und in kleineren Städten ist das anders?
Die Kinos in den mittelgroßen Städten stehen vergleichsweise besser da, weil sie oft eine Monopolstellung haben. Sie können aus den allerbesten Produkten der Branche auswählen, während ich mich intensiv bemühen musste, wenn ich einen kommerziell interessanten Film bekommen wollte. Man kann eben nur von wenigen Filmen im Arthouse-Bereich leben, und wenn diese Filme im Konkurrenzkino laufen, dann ist das schmerzhaft.
Wie sieht Ihre ideale Kinolandschaft aus?
Die ideale Kinolandschaft wäre die, die bis jetzt existiert hat, aber mit der Vitalität von vor fünf Jahren: Viele Leute reagierten begeistert auf neue Angebote und trauten dem Kino zu, dass es etwas Wesentliches zum Leben zu sagen hat.
Ich habe manchmal das Gefühl, dass Kino jetzt nicht mehr die brillanteste Sache der Welt ist. Natürlich nehmen Filmleute alles, was sie tun, sehr, sehr ernst. Aber sie müssen bei aller Begeisterung feststellen, dass längst nicht alles so aufgenommen wird, wie sie es gerne hätten.
Wünschen Sie sich, dass es ein neues „Blow Up“ geben wird?
Es würde mich freuen, wenn an der Stelle, wo das Blow Up jetzt ist, weiterhin Kino stattfindet, und zwar ähnlich engagiertes Kino, wie wir es bis jetzt gemacht haben.