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Archiv-Artikel

Israel will atomwaffenfreie Zone

Ministerpräsident Ariel Scharon bekennt sich beim Besuch des IAEO-Chefs Baradei zum langfristigen Konzept einer atomwaffenfreien Zone in Nahost. Baradei: Das israelische Atompotenzial kann terroristische Gruppen nicht abschrecken

AUS JERUSALEMSUSANNE KNAUL

Mit bedingter Zuversicht hat der Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), Mohammed al-Baradei, gestern seinen zweitägigen Besuch in Israel beendet. Ergebnis sei immerhin, Regierungschef Ariel Scharon dazu gebracht zu haben, „sich zu dem Konzept einer atomwaffenfreien Zone zu verpflichten“ und sich dafür einzusetzen, sobald in der Region Frieden einkehre. Ein Dialog sei „in Sichtweite“. Baradei warnte el vor Wissenschaftlern der Hebräischen Universität in Jerusalem vor der zunehmenden und unkontrollierten „Verfügbarkeit atomarer Technik“, die von „sub-nationalen Gruppen missbraucht werden könnte“.

Im Anschluss an sein Gespräch mit Scharon am Morgen zeigte Baradei Verständnis dafür, dass „nach 120 Jahren des (israelisch-arabischen) Konflikts“ vertrauensbildende Maßnahmen nötig seien, räumte jedoch ein, dass Israels Atompotenzial terroristische Gruppen nicht abschrecken werde. Die einzige Garantie könne ein Frieden sein, meinte er und verwies auf die zweite Phase des internationalen Nahost-Friedensplans Roadmap, in der Rüstungskontrolle Thema sei. „Wir können zusammen gewinnen oder alle verlieren“, warnte er. Es ginge um das „nackte Überleben“.

Eine Hauptveränderung der vergangenen Jahre sei die Tatsache, dass „Transaktionen“ atomarer Technik „fast zu einem privaten Sektor“ geworden sind. In über 20 Ländern seien Privatfirmen „bewusst oder unbewusst“ an der Zulieferung von Wissen und Ausrüstung für Urananreicherungsprogramme beteiligt. Umfassende Kontrolle sei aus Mangel an Informationen nicht möglich. Viele Lieferer „sind Außenseiter“, zudem bestünde keine Verpflichtung zur Exportkontrolle. „Sobald angereichertes Uranium vorhanden ist, sind es nur wenige Monate bis zur Waffe.“ Die Zahl von weltweit rund 30.000 Atomsprengköpfen sei untragbar.

Baradei deutete an, dass er einen Handlungsspielraum hinsichtlich In- und Export atomarer Technik ablehne. „Massenvernichtungswaffen sollten wie Sklaverei behandelt werden. Sie unterliegen der Verantwortung der gesamten internationalen Gemeinde.“ Als möglichen Weg zur Eindämmung der Bedrohung schlug er eine „multinationale Kontrolle“ und „regionale Verflechtung“ vor, bei der mehrere Nachbarländer gemeinsam friedlich Atomenergie nutzen. Sanktionen sollten hingegen, wenn überhaupt, „die Regime verletzen“ und sich nicht, wie es im Irak der Fall war, gegen das Volk wenden.

Israelische Sicherheitsexperten beobachten nach dem Sturz von Iraks Präsident Saddam Hussein vor allem den Iran, von dem die größte Gefahr auszugehen scheint. Baradei bestätigte laut Berichten, dass Iran bereits angereichertes Uran habe, den Anreicherungsprozess jedoch vorerst auf Eis gelegt habe. Die Situation sei „komplex“, doch arbeite man an einer diplomatischen Lösung. Dabei höre er mit Blick auf Israel wiederholt den Vorwurf, zweierlei Maßstäbe anzuwenden. Es bestehe in der Region das Gefühl eines „Sicherheits-Ungleichgewichts“.

Israel erklärt sich noch immer nicht offiziell zur Atommacht, obwohl es Schätzungen zufolge etwa 200 Atomwaffen hat. „Unsere Politik der atomaren Zweideutigkeit hat sich bewährt und muss fortgesetzt werden“, meinte Scharon. Er hatte Baradeis Besuch skeptisch gesehen und Reportern erklärt, er wisse nicht, „was der hier bei uns will“. In Baradeis von der Regierung erstellten Besuchsprogramm war denn auch keine Fahrt zum Atomforschungszentrum Dimona enthalten. Ebenso wenig traf Baradei den erst kürzlich aus der Haft entlassenen Atomspion Mordechai Vanunu.