: Gift im Hühnerstall: Nun auch Dioxin
Der hessische Betrieb, der für den PCB-Futtermittelskandal verantwortlich sein soll, liefert bundesweit verseuchtes Öl
BERLIN taz ■ Das Vertrauen der Verbraucher in die Qualität des Essens wird erneut auf die Probe gestellt: Beim Futtermittelskandal geht es seit gestern nicht mehr nur um Krebs erregende Polychlorierte Biphenyle (PCB), sondern auch um das als Seveso-Gift bekannte Dioxin. Mindestens 2.000 Tonnen Futter sollen damit verseucht sein. Das sagte Alexander Becht vom hessischen Agrarministerium der taz. Ob sie schon im Trog und auf dem Teller gelandet sind, ist unklar.
Die Quelle der Verunreinigung liegt in Pflanzenölen, die dem Fertigfutter für Hühner oder Schweine zugesetzt werden. Vor mehreren Tagen stellte das Agrarministerium in Sachsen fest, dass ein hessischer Betrieb einem sächsischen Mischwerk 25,4 Tonnen dieses Rohstoffs verkauft hatte, der mit PCB belastet war. Nun untersuchten Kontrolleure des hessischen Ministeriums den Lieferanten – und fanden in einer Probe 2,3 Mikrogramm Dioxin pro Kilo. Das ist dreimal mehr als erlaubt. Die Probe kam aus einer Charge von 100 Tonnen Öl, die bereits an Futterwerke in Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern gegangen ist. Die Betriebe werden voraussichtlich geschlossen. Das ist aber Sache der Länder.
Die Ölfirma produziert weiter. „Sperren ist eine drastische Maßnahme“, argumentiert Alexander Becht. „Da wir keine Gefahr für den Verbraucher sehen, ist das nicht gerechtfertigt.“ Dioxine können Krebs und Geburtsfehler auslösen. „Die Belastungen im Endprodukt überschreiten die Grenzwerte aber nicht“, sagt Becht. Das Öl werde dem Futter nur untergemischt. Die Behörden begeben sich jetzt auf Spurensuche. Womöglich rührt die Belastung aus der Herstellung. 2003 wurden 2.100 Tonnen Futter mit Dioxin vergiftet, weil in einem Thüringer Werk die Trocknungsanlage kaputt ging. Tausende Schweine wurden getötet. Bei einem der größten Lebensmittelskandale Europas mischte 1999 ein belgischer Hersteller allerdings schlicht Altöl ins Hühnerfutter.
Bauern sollten ihr Futter wieder selbst anbauen, fordert Reinhild Benning, Agrarexpertin beim BUND. Sie sagt: „Die Futterindustrie mausert sich zum Bösewicht des Jahrzehnts.“
HANNA GERSMANN