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Archiv-Artikel

KIRSTEN FUCHS über KLEIDER Dongdongdong oder tütütü?

Büstenhalter oder nicht Büstenhalter, das ist gar keine Frage – und wenn, dann höchstens eine der Notwendigkeit

Ich trage keinen BH. Mir sind dafür keine Gründe gewachsen und anderen Gründe fallen mir nicht ein. Hygiene oder Scham oder Mogelpackung kommt mir nicht in den Sinn und unter den Pulli. In der Pubertät habe ich mir mal einen BH gekauft, hellblau und als Dekor weißes Unkraut, das auch auf Brandenburgs Feldern wächst, alles ganz harmlos und klitzeklein, wie zwei Maulkörbe für siamesische Pinscherzwillinge, fast aus der Kinderabteilung.

Kinder-BHs sind ja echt ein grenzwertiges Thema, die Grenze verläuft zwischen widerlich und abstoßend und hat aber ein Hinweisschild, auf dem steht: „Gott, sieh dis mal nich so eng, Hauptsache er ist nicht zu eng und schnürt die kindliche Freude ab.“ Zur Kommunionsfeier kann sich das Kleine ja mal ins schwarze Kleine begeben und Lippenstift ausprobieren. Ich kann mir vorstellen, dass es Kinder-BHs gibt, weil es ja auch Bikinis für alle Annas in jedem Alter gibt. Ich bin immer nackt in die Ostsee gerannt, aber zu der Zeit hatten ja auch noch alle Trabis das Kennzeichen FKK, Ferien = keine Klamotten. Auch im Skiurlaub? Nein, da nicht, da trug ich eine Mütze.

Jedenfalls spricht nichts dagegen, kleene Mädchens wie kleene Jungens oben ohne anbaden zu lassen. Gut, Quallen sind eklig auf nackter Haut, aber da hilft nur ein Taucheranzug, außerdem sehen Quallen aus wie Silikoneinlagen, womit wir wieder beim Thema wären. Also, ich habe nur Rückenschmerzen, weil ich immer so krumm sitze, aber nicht von Brustseite her, und ich will keine Quallen zum Aufplustern. Das denke ich nicht, weil Gott mich so geschaffen hat, wie ich bin, sondern weil meine Eltern mich so geschaffen haben, wie ich bin.

Ich habe einfach meine Erfahrungen gemacht mit BHs, obwohl das Wort Ertragungen besser wäre, weil ich nicht gefahren bin, sondern ertragen habe. Ich habe erfahren, dass ich es nicht ertrage. Ich hatte auch mal ein Handy, das habe ich auch nicht ertragen. Metallbügel im BH machen mich irre und Handys klingeln immerzu. Wofür habe ich denn einen AB? Und wofür hätte ich denn einen BH? Wäre ich wesentlich früher geboren worden, hätte ich Probleme mit Korsetts gehabt. Wäre ich in die Beklemmung reingewachsen? Wäre ich auch in die Unterdrückung der Frau reingewachsen? Ich bin nicht deshalb emanzipiert, weil ich keinen BH trage. Ich habe gar keine Lust, mir einen zu kaufen, nur um ihn dann zu verbrennen, da bin ich zu praktisch. Alles Gewohnheit. Ich verbrenne auch keine Flaggen. Ich verbrenne nur Zigaretten, ist auch nur ’ne Gewohnheit. In meinem Großstadtleben renne ich oft nach dem ÖPNV und dann wallen meine Brüste nicht (Dong, Dong, Dong), sondern sie hüpfen und bimmeln (tütütü).

Eine Freundin von mir, mit ebenfalls lütten Titten, findet BHs einfach schön. Das ist ein Grund. Kann ja jeder sehen, wie sie will. Ich sehe manchmal, dass ein BH die schöne Rückansicht einer schönen Frau in Abschnitte unterschnürt. Auch wenn BH-Träger rauslugen, finde ich das nicht prickelnd, und hinter vorgehaltener Männerhand habe ich Ähnliches schon gehört. Und gerade diese dezenten durchsichtigen BH-Träger … Da bekomme ich schwitzige Stellen, nur vom Hinsehen – „Na, denn sieh doch nicht hin!“.

Ein BH ist Unterwäsche, aber neuerdings werden auch Schlüppa vorgeführt, dass es nur so eine Art hat. Da merke ich, wo meine biederen Stellen wie blinde Flecken hocken. Andere genieren sich für Mitmenschen mit, wenn Brustwarzen T-Shirts zerstechen. Komisch, was dem einen peinlich, ist dem andern Brust. Die Ostseestrände sind inzwischen unterteilt, weil es Nackte, Hunde und Kinder gibt. Es gibt auf Usedom einen Abschnitt für ein katholisches Ferienheim, da tragen auch die Hunde Badehosen. Nix von wegen, so hat Gott uns geschaffen, uns Affen. Und nur weil ich mich entscheiden konnte, dass ich kein Handy brauche, heißt das ja nicht, dass es mich nicht stört, wenn fremde Handys klingeln. Dong Dong und tütütü.

Jut, BHs sind eine Errungenschaft! Genauso wie, dass ich nicht muss, wenn ich nicht muss, und nicht brauche, wenn ich nicht brauche, oder?

Fotohinweis: KIRSTEN FUCHS KLEIDER Fragen zu Brüsten? kolumne@taz.de Morgen: Robin Alexander über WHITE