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Archiv-Artikel

Frauen als Opfer ihrer Familien

Amnesty international stellt Bericht über Gewalt gegen Frauen in der Türkei vor. Besonders bei Fällen von „Ehrenmorden“ seien Polizei und Justiz oft zu nachsichtig

ISTANBUL taz ■ Im Rahmen einer globalen Kampagne zum Schutz von Frauen vor Gewalt und Diskriminierung, hat amnesty international gestern in Istanbul einen Report über Gewalt gegen Frauen in der Türkei vorgestellt. Darin heißt es, dass mehr als 50 Prozent aller Frauen Opfer von Gewalt in der eigenen Familie werden. Amnesty zählt dazu nicht nur die Schläge des Ehemanns gegen seine Frau, sondern auch eine extreme finanzielle Abhängigkeit vieler Frauen, die ihnen kaum erlaubt, einen selbstständigen Schritt zu tun. Der Report handelt vor allem vom Elend vieler Mädchen. Hauptsächlich im Osten der Türkei und in Zentralanatolien werden trotz Schulpflicht oft Mädchen nicht zur Schule geschickt. Stattdessen werden sie als Kinder verheiratet, obwohl das Heiratsalter 2002 von 16 auf 18 Jahre heraufgesetzt wurde.

Besonders hervorgehoben wird in dem Report, dass nach wie vor Mädchen von Familienangehörigen ermordet oder in den Tod getrieben werden, wenn sie sich den Vorstellungen ihrer Familien über ihren zukünftigen Ehemann widersetzen oder von sich aus eine Beziehung eingehen, die Vater oder Brüder missbilligen. Amnesty beklagt, dass in diesen Fällen so genannter Ehrenmorde (weil die Frau angeblich die Ehre der Familie verletzt hat) Polizei und Justiz häufig zu nachsichtig sind und Mörder aus der Familie mit geringen Haftstrafen davonkommen.

„Die staatlichen Autoritäten, Regierungsmitglieder und auch der Regierungschef müssen endlich deutlich sagen, dass Mord gleich Mord ist und Gewalt gegen Frauen keinesfalls akzeptiert werden kann“, forderten Özlem Dalkiran und Christina Curry im Namen von amnesty international. Curry bescheinigte der Regierung zwar, im Rahmen des Reformprozesses einige wichtige Gesetzesänderungen durchgeführt zu haben – für „Ehrenmorde“ soll es keine mildernden Umstände mehr geben. Er forderte aber zugleich, dass der Staat sich nun auch dafür einsetzen müsse, die Frauen wirklich in Schutz zu nehmen. Das beginne mit einem Training von Polizei und Justiz und müsse mindestens die Schaffung von Zufluchtsorten für bedrohte Frauen beinhalten.

JÜRGEN GOTTSCHLICH

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