: „Oper ist mein Leben“
Am 6. Juni wird Giorgio Battistellis Oper „Der Herbst des Patriarchen“, ein Auftragswerk, nach dem Roman von García Maria Márquez im Bremer Musicaltheater uraufgeführt. Ein Interview mit dem Komponisten über die Frage, was ihn an südamerikanischen Despoten fasziniert
Wer die Bücher von García Maria Márquez liest, wird häufig gepackt von deren bildreicher Sprache. So erging es auch dem italienische Komponisten Giorgio Battistelli. Für sein neunzehntes Musiktheaterwerk ist er hineingestiegen in die Romanwelt von Márquez – und hat sich Der Herbst des Patriarchen für seinen zweiten Kompositionsauftrag ausgesucht, den ihm das Bremer Theater erteilt hat. Thema: 500 Jahre Diktatur in Südamerika, eine „Erscheinung von mythologischer Dimension“ (Márquez). Damit erlebt Bremen nach Experimentum Mundi (1982) und Die Entdeckung der Langsamkeit (1997) zum dritten Mal eine Oper von Battistelli. Wir sprachen mit dem in der Nähe von Rom geborenen Komponisten, der soeben die Leitung der Biennale in Venedig übernommen hat.
taz: Herr Battistelli, zwei Hauptelemente prägen das Buch von Márquez: die unglaublichen, kaum übersetzbaren Sprachbilder und der politische Aspekt. Was hat Sie als Komponist angezogen und warum?
Battistelli: Beides. Das tiefe Nachdenken über die Diktatur in diesen Bildern. Das spiegelt sich auch in den Kontrasten meiner Musik.
„Fäulniswind der Flügelschläge“, „Kühe, die Vorhangquasten anknabbern“, ein von „Kuhdung geschändeter Musiksalon“ . . . mir fällt auf, dass Sie für Ihre Sujets immer andere Musiksprachen finden. Wie kommen Sie darauf?
Was ich nicht will, ist Parodie. Wichtig ist mir, dass die Menschen zum Nachdenken kommen. Das mache ich mit meiner Art. Es gibt nicht, was ja viele Komponisten vertreten, nur eine Wahrheit. Es gibt viele.
Sie haben einmal gesagt, dass Sie diese gnadenlose Demontage der südamerikanischen Despoten über 500 Jahre schon lange beschäftigt. Können Sie darüber Genaueres sagen?
Mich faszinieren die Geheimnisse der Diktatoren. Es geht mir um dieses Archaische der Diktaturen, nicht unbedingt um Südamerika. Anschließend schreibe ich eine Oper über Richard III.
Wenn Márquez im Untertitel sagt: „Gedicht über die Einsamkeit der Macht“ – gibt es da auch so etwas wie Mitleid? Von Márquez, von Ihnen?
Ja, schon. In dem Augenblick, als der Patriarch versteht, dass der Tod kommt. Márquez hat meiner Meinung nach kein Mitleid, er hat sogar Angst davor, deswegen wählt er die mythologische Sicht. Ich habe meine Wurzeln in der christlichen Kirche, und da gibt es keine Rache.
Im Orchester gibt es drei Schlagzeuger mit einem riesigen Schlagzeugapparat – ist das in irgendeinem Sinne symbolisch zu verstehen?
Nein, das Schlagzeug ist nur in der letzten Zeit so wichtig geworden, weil in der ganz neuen Musik der Rhythmus wieder eine so große Rolle spielt – besonders in meiner Musik.
Bedenkt man noch einmal die Bilderkraft des Buches: Welchen Stellenwert hat das Bühnenbild?
Ich kenne es noch nicht. Aber Regie und Bühne dürfen keinesfalls die Musik überfrachten, die müsste für sich in der Lage sein, die Bilder im Kopf des Zuhörers zu provozieren. Die Szene ist eine Funktion für die Musik.
Die Gattung Oper steht noch immer bei einigen im Verdacht überholter Bürgerlichkeit. Alexander Kluge hat sie „Kraftwerk der Gefühle“ genannt, Oscar Bie die „unmöglichste aller Kunstformen. Was bedeutet die Gattung für Sie persönlich?
Opern schreiben ist einfach mein Leben. Ich will da gar nicht theoretisieren. Es gibt ja heute ein komplettes Durcheinander der Meinungen, was denn eine Oper sei. Das Ergebnis ist eine unüberschaubare Menge von experimentellen Musiktheaterformen, die die Attraktivität der Gattung zeigen. Es werden mehr Opern geschrieben denn je.
Haben Sie in Bezug auf die Opernkomposition historische Vorbilder?
Nein. Ich bin überall ein bisschen Dieb. Monteverdi, Mozart, Verdi, Puccini, Rossini . . . am meisten bewundere ich das menschliche und künstlerische Niveau von Hans Werner Henze. Er ist mein künstlerischer Vater.
Fragen: Ute Schalz-Laurenze