: Klimahandel: Deutschland muss nachsitzen
EU-Umweltkommissarin Margot Wallström hält die eingereichten Pläne zum Zertifikatehandel für „zu großzügig“
BRÜSSEL/BERLIN taz ■ Wie eine Lehrerin, deren Zöglinge hinterm Klassenziel zurückbleiben, beurteilte EU-Umweltkommissarin Margot Wallström gestern die nationalen Pläne zum Emissionshandel. Neun der fünfzehn alten, drei der neuen Mitglieder haben bislang Vorschläge eingereicht. „Mein erster Eindruck: Alle sind zu großzügig mit den Zertifikaten. Nur wenn die gehandelten Güter knapp sind, kann ein funktionierender Markt entstehen.“
Wallström beließ es aber nicht bei der Eindrucksschilderung. Sie kündigte an, dass alle derzeit vorliegenden Pläne an die Mitgliedsländer zurückgeschickt werden. Die Länder haben dann drei Monate Zeit, sich ehrgeizigere Reduktionsziele zu setzen und weniger Zertifikate zu verteilen. Dadurch soll ein Anreiz geschaffen werden, in schadstoffarme Anlagen zu investieren.
Eigentlich hätten die Pläne für die alten Mitglieder bis Ende März vorliegen sollen. Für die Neuen lief die Frist Ende April aus. Während Italien immerhin einen Entwurf fertig hat, fehlen von Spanien noch alle Daten. Wallström kündigte an, demnächst Vertragsverletzungsverfahren eröffnen zu wollen, wenn die Frist weiter überzogen wird.
Der Handel mit Zertifikaten hat in sehr kleinem Maßstab bereits begonnen. Seit bekannt wurde, dass etwa Deutschland großzügige Kontingente an die beteiligten Industriezweige ausgeben will, sank der Preis pro Zertifikat von 13 auf 7 Euro. Eins machte Wallström unmissverständlich klar: Die EU wird pünktlich zum 1. Januar mit dem Handel beginnen, „auch dann, wenn das Kioto-Protokoll bis dahin nicht in Kraft ist oder einzelne Länder ihre nationalen Pläne nicht fertig haben“.
Wer sich Hoffnung macht, dass die strenge Kommissarin bis dahin in die schwedische Regierung fortgelobt wird, könnte enttäuscht werden. Gestern erklärte Wallström, sie sehe ihre Zukunft in Brüssel und wolle die gesammelten Erfahrungen auch der nächsten EU-Kommission zur Verfügung stellen.
Solche Hoffnung macht sich Jürgen Trittin zwar nicht. Der grüne Bundesumweltminister versteht aber die Kritik nicht: „Neben dem britischen Allokationsplan ist unserer der einzige, der tatsächlich zur Mininimierung der Treibhausgase beiträgt“, erklärte er. Nach seiner Lesart habe Wallström „lediglich um weitergehende Informaionen gebeten, die ich natürlich gerne geben werde“.
Dass es allerdings bei der Kritik aus Brüssel um mehr geht, belegt ein Brief der Kommission, den der Spiegel zitierte. Danach sieht die EU in den deutschen Plänen eine unzulässige Beihilfe für die Kohlebranche. Im deutschen Plan steht, dass Betreiber von Kohlekraftwerken für die ersten vier Jahre so viele Verschmutzungsrechte zugeteilt bekommen, wie die alten Anlagen brauchen. Wird in ein neues Werk investiert, das weniger CO2 ausstößt, können die Handelsrechte verkauft werden. Brüssel steht mit dieser Kritik nicht allein: EnBW – Deutschlands viertgrößter Stromkonzern – hat sie wiederholt vorgetragen. Verständlich: Die Atomstromer aus Deutschlands Südwesten betreiben gerade mal fünf Kohlekraftwerke. DANIELA WEINGÄRTNER,NICK REIMER