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Archiv-Artikel

Postenschacher hält Warlords ruhig

Nach monatelangem lähmendem Streit in Kongos Allparteienregierung ist die Aufteilung der Macht in den elf Provinzen zwischen den ehemaligen Kriegsparteien perfekt. Jetzt kann die Wiedervereinigung des zerfallenen Landes beginnen

VON DOMINIC JOHNSON

Der Friedensprozess in der Demokratischen Republik Kongo hat seine wichtigste Hürde seit der Einsetzung der amtierenden Allparteienregierung im vergangenen Sommer genommen. Präsident Joseph Kabila ernannte am Montag per Dekret neue Gouverneure für die elf Provinzen des Landes. Was als bürokratischer Routineakt daherkam, war der erste praktische Schritt zur Überwindung der im Krieg 1998–2002 entstandenen Machtstrukturen von Warlords und ebnet den Weg zu den geplanten freien Wahlen 2005.

Der Gouverneursernennung waren monatelange Streitereien vorhergegangen, die die Regierung in Kinshasa an den Rand des Zusammenbruchs geführt hatten. Keine der Kriegsfraktionen, die den Kongo während des Bürgerkieges zwischen sich aufgeteilt hatten, war zunächst bereit, auf ihre territoriale Kontrolle zu verzichten. Dass es jetzt eine Einigung gibt, ist massivem internationalem Druck zu verdanken. Das regelmäßig tagende „Internationale Komitee zur Begleitung des Übergangsprozesses“ (CIAT) aus wichtigen Geberländern und internationalen Institutionen wie der UNO hatte die Regierung im April und Mai mehrmals aufgefordert, bis Juni endlich Entscheidungen zu fällen, um das ganze Land regieren zu können. Denn bisher verwalteten die Rebellen im Norden und Osten ihre Gebiete praktisch autonom weiter, während die Anhänger von Präsident Kabila im Westen und Süden ihre Geschäfte führten. So hatte die Zentralregierung kein Geld und wenig Macht, und überall im Land wuchs der Unmut der bitterarmen Bevölkerung darüber, dass der Frieden ihre soziale Lage nicht verbessert hat und der Wiederaufbau kaum vorankommt.

Ruanda zufrieden, Uganda besorgt

Die Auswahl der neuen Provinzgouverneure berücksichtigt die realen Kräfteverhältnisse im Land, indem die größte Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) ihre Hochburgen Goma und Kisangani samt den dazugehörigen Provinzen Nordkivu und Orientale (Ostprovinz) behält. In Nordkivu bleibt sogar der wegen seiner militaristischen Methoden gefürchtete RCD-Gouverneur aus Kriegszeiten im Amt: Eugène Serufuli. Kabila konnte es sich nicht leisten, den ruandischstämmigen Hutu zu beseitigen, da dieser mehrere zehntausend Milizionäre kommandiert und als Verbündeter Ruandas gilt.

Serufuli im Amt zu lassen, ist aber nicht weniger riskant, denn er stößt auf scharfe Ablehnung der Führer der anderen großen Ethnien der Provinz, der Bahunde und Nande. Sie dürfen nun jeweils einen Vizegouverneur stellen, aber es ist unklar, ob sie das wollen. Die Nande in Nordkivu haben seit drei Jahren eine eigene Rebellenbewegung, die RCD-ML (RCD-Befreiungsbewegung) in der Nordhälfte der Provinz. Sie kontrollierten den lukrativen Grenzhandel mit Uganda und wollen das nicht an Freunde des Rivalen Ruanda verlieren.

Auch Uganda ist deswegen unzufrieden. Durch die komplette RCD-Übernahme der riesigen Provinz Orientale, die sich bis an die Grenzen zum Sudan und Uganda erstreckt und auch die Bürgerkriegsregion Ituri umfasst, verliert Uganda komplett die Kontrolle über den Teil des Kongo, in dem es bisher Einfluss ausübte. Dies sei strategisch bedenklich, schrieb letzte Woche die staatliche ugandische Zeitung New Vision und warnte vor neuen ugandischen Rebellen im Kongo. Aus dem Kongo wird umgekehrt berichtet, Uganda versuche, ostkongolesische Verlierer des Friedensprozesses um sich zu scharen.

Ein Gouverneur kommt aus Sindelfingen

In anderen Landesteilen sind die Gouverneursernennungen politisch weniger heikel. Der neue Gouverneur der Bergbauprovinz Katanga ist ein früherer Angestellter von Kongos größter staatlicher Bergbaufirma Gécamines. Der neue Gouverneur der Hauptstadt Kinshasa arbeitete früher acht Jahre lang bei Mercedes im deutschen Sindelfingen und wird sich wohl vor allem mit Straßenbau beschäftigen.

Die RCD ist die einzige Rebellenbewegung, die ihre territoriale Basis behält. Die zweitgrößte Rebellenorganisation MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung), die bisher das nördliche Drittel des Kongo regierte, bekommt die Agrarprovinz Bandundu. Die bereits erwähnte kleine RCD-ML bekommt die bitterarme, von Milizen verwüstete Urwaldprovinz Maniema; die noch kleinere RCD-N (RCD-National) kriegt das benachbarte Ostkasai. Das an Ruanda und Burundi angrenzende Südkivu geht ebenso wie Katanga und Equateur an Verbündete Kabilas; dessen Partei behält außerdem Kinshasa, Bas-Congo und Westkasai.

Die wichtigste Aufgabe der Gouverneure wird die Vorbereitung von Wahlen sein: Verfassungsreferendum im Februar, Kommunalwahlen im April und Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Juni und Juli 2005. Dafür muss Kongos Parlament noch zahlreiche Wahlgesetze verabschieden. Außerdem muss die Regierung die Bildung einer geeinten Armee vorantreiben, die an die Stelle der bisherigen Kriegsheere treten soll.

Davon nämlich hängt es ab, ob die neuen Provinzverwaltungen reale Macht haben, falls sie versuchen sollten, sich gegen die im Krieg gewachsenen ökonomischen Interessen zu stellen. Das allerdings ist unwahrscheinlich. Die Kriegsparteien machen sich jetzt stattdessen an die nächsten Pfründen: die Managerposten in Kongos Staatsbetrieben.