: Rumsfeld meint, die Folter sei gar keine
Kongressmitglieder erkennen auf den bislang unveröffentlichten Fotos von Misshandlungen in irakischen Gefängnissen Anzeichen für gezielte Zermürbungstaktiken. Die CIA gerät wegen Verhörpraktiken unter Druck – Rumsfeld: „Alles legal“
AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK
Im Streit um die Veröffentlichung weiterer Folterbilder aus irakischen Gefängnissen hat die US-Regierung entschieden: Die Fotos bleiben unter Verschluss. Die Entscheidung fiel am Mittwoch, nachdem Kongressabgeordnete rund 1.600 vom Pentagon bislang geheim gehaltene Fotos einsahen.
Die Bilder dokumentieren nach Aussagen beteiligter Parlamentarier „grausame, sadistische Folter“. „Ich habe keine Ahnung, wie zur Hölle diese Leute in unseren Militärdienst gekommen sind“, sagte ein schockierter Senator Ben Campbell.
Mehrere Abgeordnete erklärten, das Bildmaterial deute darauf hin, dass es sich bei den Misshandlungen nicht um, wie von der Regierung immer wieder behauptet, „spontane“ und ungeplante Demütigungen handle, sondern um eine gezielte Zermürbungstaktik. Die angewendeten Praktiken würden Kenntnisse erfordern, wie irakische Häftlinge besonders zu erniedrigen seien. Der Zweck der Aufnahmen sei zudem offenbar gewesen, andere Gefangene und deren Familien einzuschüchtern.
Diese Annahme bestätigte Lynndie England, jene junge Soldatin, die auf Bildern mit nackten Irakern zu sehen ist, in einem Fernsehinterview. Sie habe jedoch nur auf Anweisung von „Personen mit höherem Rang“ gehandelt. Diese hätten ihr zum Beispiel befohlen, eine Leine um den Hals eines nackten Gefangenen zu legen. Auch die sechs anderen angeklagten US-Soldaten haben wiederholt ausgesagt, lediglich Anweisungen ausgeführt zu haben.
Der Fokus der Untersuchungen im Folterskandal richtet sich mittlerweile nicht mehr nur auf die Militärpolizisten. Im Fadenkreuz befinden sich deren unmittelbare Vorgesetzte, die Geheimdienste und der ehemalige Kommandant des Internierungslagers Guantánamo.
Majorgeneral Geoffrey Miller war im August vergangenen Jahres beauftragt worden, die chaotischen Zustände in Abu Ghraib zu beenden und angesichts eines sich ausweitenden Guerilla-Krieges ein effektives System der Informationsbeschaffung aufzubauen. Geheimdienstoffiziere erhielten mehr Autorität, und Militärpolizisten sollten diesen bei Verhören behilflich sein. Diese operationalen Veränderungen, basierend auf den Erfahrungen mit Häftlingsverhören in Guantánamo, sind momentan Gegenstand der Ermittlungen. Nach Ansicht von Kritikern bilden sie den Grundstein der systematischen Misshandlungen. Miller weist dies zurück. Der Taguba-Untersuchungsbericht resümiert jedoch, dass seine Empfehlungen, die den Gefängniswärtern auferlegt, „Bedingungen für erfolgreiche Verhöre“ zu schaffen, nicht nur im Widerspruch zum Militärcodex stünden, sondern die Misshandlungen erst möglich machten.
Pentagonchef Donald Rumsfeld verteidigte alle angewendeten Verhörmethoden als mit internationalem Recht vereinbar. Anwälte seines Ministeriums hätten alle Praktiken genehmigt.
Doch CIA und Weißes Haus sind nach neuen Enthüllungen der New York Times im Zusammenhang mit den Foltervorwürfen weiter unter Druck geraten. Demnach habe die CIA Verhörtechniken angewendet, die nach eigenem Dafürhalten nur knapp vor Folter Halt machten, jedoch angeblich US-Recht nicht verletzten. Die Praktiken seien in einem geheimen Regelwerk durch das US-Justizministerium autorisiert worden.
Unklar ist bislang, ob Präsident Bush, der nach dem 11. September die CIA für den Antiterrorkampf mit besonderen Vollmachten ausstattete, persönlich diese Regeln absegnete, die nach internationalem Standard Folter darstellen.