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Archiv-Artikel

Politische Weiterbildung in EDV

Die grundsätzliche Auseinandersetzung um das Arbeitslosengeld II bekommt einen Nebenschauplatz: die Datenverarbeitung. Aus vielfältigen Gründen

VON ULRIKE HERMANN

Bloß nicht schuld sein, dieses Motiv treibt inzwischen alle Akteure im großen Politspiel namens „Arbeitslosengeld II“. Zum 1. Januar 2005 sollen Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt werden, so jedenfalls will es das Hartz-IV-Gesetz. Drei Milliarden Euro mindestens will der Bund jährlich sparen, indem alle Langzeitarbeitslosen nur noch das Nötigste erhalten. Künftig soll nicht mehr das einstige Nettoeinkommen zählen, wie bei der Arbeitslosenhilfe, sondern nur noch die individuelle Bedürftigkeit.

Aber inzwischen glaubt niemand mehr so recht daran, dass diese bürokratische Mammutfusion zwischen Arbeitsämtern und Kommunen rasch gelingen könnte. Selbst Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), der es immer eilig hat – zumindest rhetorisch –, zeigte sich gestern ungewohnt nachdenklich: Er will zwar beim Zeitplan bleiben, sieht aber auch Gesprächsbedarf.

Das größte Risiko heißt momentan „Datenaustausch“. Dieses Problem existiert sowohl technisch wie politisch. Technisch fängt es schon damit an, dass bisher gar keine ausgereifte Software zur Verfügung steht, um die Daten aus den Kommunen und Arbeitsämtern zu vereinigen. Für 60 Millionen Euro soll die Telekom eine Datenbank entwickeln, doch gestaltet sich dies anscheinend so mühsam wie das Mautsystem. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, sah sich gezwungen, im Spiegel schon mal laut darüber nachzudenken, im Januar das neue Arbeitslosengeld II „zur Not sogar per Hand“ abwickeln zu müssen. Zudem stehen gar nicht alle nötigen Daten zur Verfügung, um die bisherigen Empfänger der Arbeitslosenhilfe auf das Niveau der Sozialhilfe herunterzustufen (siehe unten).

Über diese rein technischen Aspekte hinaus wird das Problem „Datenaustausch“ inzwischen auch politisch entdeckt. Der CDU-Arbeitsmarktexperte Karl-Josef Laumann frohlockte gestern, dass es „gar keine Rechtsgrundlage“ gebe. Daten vom Bund an die Kommunen und zurück? „Das ist ohne die Zustimmung des Bundesrats nicht zu machen.“

Sollte die Verfassungsexegese des Abgeordneten Laumann tatsächlich zutreffen, hätte die Union endlich ein Erpressungsinstrument gefunden, um ihr Lieblingsprojekt doch noch durchzusetzen: das Optionsmodell, wie es sich der hessische Ministerpräsident Roland Koch vorstellt. Danach sollen die Kommunen wählen können, ob sie ihre Langzeitarbeitslosen in Arbeitsgemeinschaften mit den Arbeitsämtern betreuen – oder ob sie alles allein übernehmen, von der Schuldnerberatung bis zur Auszahlung des Arbeitslosengeldes. Der Bund würde sich ganz heraushalten und nur noch eine „Fallpauschale“ zahlen.

Zum Ärger von CDU/CSU ist das „Optionsgesetz“ der Bundesregierung, das am Donnerstag verabschiedet werden soll, nicht so großzügig. Es eröffnet den Gemeinden zwar auch die Wahl, sich allein um die Langzeitarbeitslosen zu kümmern, aber sie würden trotzdem der Bundesagentur für Arbeit unterstehen. Gestern hat die Union daher erneut angedroht, das Gesetz im Bundesrat scheitern zu lassen. Nur würde ihr das nichts nutzen: Dann gilt Hartz IV eben ohne Ergänzung und es kommt zu Arbeitsgemeinschaften zwischen Kommunen und Arbeitsämtern.

Bleibt also nur der „politische Hebel“ Datenaustausch, den auch schon der Deutsche Landkreistag entdeckt hat, um mehr Selbstständigkeit für die Gemeinden zu erkämpfen. „Der Datenabgleich ist in Hartz IV nur sehr rudimentär geregelt“, formuliert ein Sprecher die Boykottstrategie elegant. Deutlicher aber will man auch nicht drohen – zu groß ist die Gefahr, am Ende als Sündenbock dazustehen, falls es zum Datenchaos kommt.

Dem Deutschen Städtetag wiederum sind die Details der Optionsmodelle längst egal: Denn wie inzwischen errechnet wurde, wird Hartz IV die Kommunen mit 5 Milliarden Euro belasten, statt – wie versprochen – 2,5 Milliarden in den Gemeindekassen zu belassen. Auch der Städtetag hat längst die diffuse Drohung als letztes Mittel erkannt: „Die Umsetzung steht und fällt mit der Finanzierungsfrage.“ Was soll das bedeuten? Aber dazu schweigt der Sprecher. „Nicht umsetzbar“ sei doch klar genug, oder? Klar, wer konkret wird, ist hinterher bestimmt schuld.