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Archiv-Artikel

Magisch verdichteter Bökelberg

Borussia Mönchengladbach erkämpft im Abstiegsduell mit Hertha BSC Berlin einen wichtigen Punkt. Die Atmosphäre am alten Bökelberg war hilfreich. In drei Spielen ist die Spielstätte Geschichte

Aber am Ende war der Ausgleich „nur eine Frage der Zeit“, wie Herthas Trainer Hans Meyer fand

VOM BÖKELBERGERIK EGGERS

Ein fast perfekter Moment. Nicht nur für diejenigen unter den Gladbachern Fans, deren Zuneigung ein Hang zur Nostalgie speist und die den bevorstehenden Umzug in die neue Arena nur aus diesem Grund bedauern. Eine milde Frühlingssonne wärmt das ausverkaufte Stadion am Bökelberg, die magische und jedem Fußballkundigen bekannte Zahl von 34.500 Zuschauern verfolgt wenige Minuten vor dem Abpfiff hochkonzentriert das Geschehen auf dem Rasen. Es ist eine grandios verdichtete Atmosphäre, ein wildes Wogen im Abstiegskampf: Die Zuschauer stehen schreiend und gestikulierend auf den steilen, maroden Tribünen und sie wünschen dem armen Schiedsrichter wegen angeblich schlimmer Fehlentscheidungen Pest und Cholera an den Hals. Auch das Raunen ist kollektiv: Tausende Kehlen stöhnen, wenn ein Gladbacher Spieler einen Fehlpass spielt.

Viele geben das Spiel verloren: Die Gladbacher rennen verzweifelt an, sogar inklusive der Innenverteidiger, aber der Gast aus Berlin hat eine Mauer errichtet, die nun, vier Minuten vor dem Ende, nicht mehr zu bröckeln scheint. Doch da passiert es: Ein Steilpass von Peer Kluge auf rechts öffnet das Feld, Joris van Hout schlägt den Ball in den Strafraum. Dort kann Arie van Lent, mit dem Rücken zum Tor, mühsam ablenken und dann rauscht Ivo Ulich, das kompakte Kraftpaket aus Tschechien, heran, er ist einen Schritt schneller als sein Gegenspieler und drischt den Ball in den linken Torwinkel. Vielleicht vier, fünf Sekunden hat dieser Spielzug gedauert und weil die Südkurve, vor der sich diese Szene abspielt, den Ausgleich wittert, steigt der Lärmpegel unaufhaltsam, bis der Jubel beim Einschuss kulminiert.

„Bye, bye Bökelberg: Noch viermal mitfiebern“, hat das Programmheft „Fohlen-Echo“ versprochen. Dieser von Mythen umwehte Ort hat wieder sein Versprechen gehalten. Dass es am Ende nur 1:1 (0:1) steht, ist fast schon egal. Dabei wirkte die Dramaturgie dieser 90 Minuten wie im Theater inszeniert: Ein schusseliges Tor zu Beginn schockiert die heimischen Profis. Nach neun Minuten reklamieren die Gastgeber einen Einwurf für sich, alle heben den Arm und orientieren sich schon nach vorn.

„Alle haben gesehen, dass der Ball aus war“, sagte Holger Fach, Borussia Trainer, nach dem Spiel, auch Manager Christian Hochstätter will es genauso beobachtet haben. Schiedsrichter Meyer entscheidet anders. Marcelinho erkennt die Situation zuerst und wirft ein auf den ebenfalls gedankenflinken Pinto, der ein paar Momente später frei vor Keeper Stiel auftaucht und flach einschießt. „Es war mein Gegenspieler, also war es meine Schuld“, giftete Max Eberl die Journalisten an, weil es ihn nervt, dass allein er verantwortlich gewesen sein soll. In Wirklichkeit haben alle Defensivakteure geschlafen: Pletsch, der die schnelle Ausführung des Einwurfes nicht verhinderte, Eberl, Hausweiler und Strasser, weil sie Pinto nicht folgten. „Der Rückstand hat uns geschockt“, sagte Ivo Ulich. “Meine Spieler waren gehemmt und ängstlich“, urteilte Fach und bat um Verständnis: „Viele kämpfen um ihre Existenz.“

Wenigstens eine Erklärung, warum sich Fußball-Ästheten hernach abwenden mussten. Den Gladbachern fehlten, gehandicapt durch die Sperren für Thomas Broich und Bernd Korzynietz, die spielerischen und individuellen Möglichkeiten. Allein Vaclav Sverkos erkämpfte sich in der ersten Halbzeit eine Chance, scheiterte aber an Keeper Fiedler. Das 0:1 zur Pause war schmeichelhaft.

Zwar kamen die Gastgeber nach dem Wechsel nur noch zu zwei klaren Chancen. Aber am Ende war der Ausgleich „nur eine Frage der Zeit“, wie Herthas Trainer Hans Meyer fand, der von den Zuschauern seines Ex-Klubs eher gleichmütig, auf jeden Fall nicht unfreundlich empfangen wurde (Das Plakat „Hans! Das sind aber seltsame Rosen“ – eine Anspielung auf seine ursprüngliche Pläne, nie wieder Trainer zu werden – war noch der bissigste Kommentar). Fach hingegen war mit dem Remis einverstanden und blickte schon nach vorn: „Mit einem Sieg gegen Wolfsburg sind wir voll im Plan.“ Am nächsten Samstag, wenn am Bökelberg die drittletzte Klappe fällt.