: Siemens-Drohkulisse soll Löhne drücken
Konzern will Ende März zu möglicher Verlagerung von 2.000 Arbeitsplätzen in Billiglohnländer Stellung nehmen. Betriebsversammlungen in Bocholt und Kamp-Lintfort. IG Metall protestiert gegen „Manchester-Kapitalismus“
RUHR taz ■ Siemens lässt seine Beschäftigten an den Standorten Bocholt und Kamp-Lintfort zappeln. Am Wochenende verteidigte der Münchner Konzern Überlegungen, 2.000 Arbeitsplätze der Mobiltelefon-Produktion aus Kostengründen in Billiglohnländer zu verlegen. Bei einer Betriebsversammlung in Bocholt mussten sich die Beschäftigten am Sonnabend einen Vortrag über die unbefriedigende Ertragslage der Unternehmens anhören. Am Donnerstag sollen die Kamp-Lintforter Arbeiter informiert werden. Ende März will Siemens seine Pläne für die Fertigung an den beiden nordrhein-westfälischen Standorten bekannt machen. Die IG Metall kündigte unterdessen Widerstand gegen den „Manchester-Kapitalismus“ der Weltfirma an.
In Bocholt klärte Joe Kaeser, Vorstandsmitglied der Siemens-Telefonsparte, über die Zahlenspiele des Unternehmens auf. Nach Kaesers Angaben macht Siemens derzeit 17 Prozent seines Umsatzes in Deutschland, beschäftigt aber 50 Prozent seiner Mitarbeiter in der Bundesrepublik. Die Arbeitsstunde eines Softwareingenieurs koste in Deutschland rund 50 Euro, in Ländern Asiens, Osteuropas oder Lateinamerikas aber weniger als 10 Euro. „Es ist eklatant, wie hoch die Defizite sind“, sagte der Manager. Hinzu komme, dass die Märkte in diesen Ländern schneller wachsen als im Inland.
Bereits Ende vergangenen Jahres hatte Siemens die Streichung von mehreren Hundert Jobs an den beiden NRW-Standorten angekündigt. Und das, obwohl Siemens seinen Marktanteil bei Handys im dritten Quartal 2003 steigern konnte. In Bocholt werden überwiegend schnurlose Telefone produziert, in Kamp-Lintfort Handys gefertigt. Insgesamt beschäftigt die Firma in den beiden Werken rund 5.000 Arbeiter.
Hintergrund der Konzernpläne ist die Unzufriedenheit mit dem jüngsten Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie (2,2 Prozent mehr Lohn). Siemens-Chef Heinrich von Pierer hatte unlängst mit einem Austritt des Konzerns aus dem Arbeitgeberverband gedroht. Offenbar will das Unternehmen mit den Gedankenspielen zur Jobverlagerung jetzt Druck auf den Betriebsrat ausüben, damit die teure Tarifeinigung hausintern deutlich billiger ausfällt. Ein Szenario: Falls die Beschäftigten auf Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichten, könnten die jüngsten Vorstandspläne ad acta gelegt werden. MARTIN TEIGELER