: „Widerstand ist legitim“
IPPNW lehnt Gewalt ab, sagt Angelika Claußen. Die Besetzung des Irak müsse enden
taz: Frau Claußen, sollten sich die Globalisierungsgegner und die Friedensbewegung dem gewalttätigen irakischen Widerstand anschließen?
Angelika Claußen: Die Friedensbewegung fordert „Frieden schaffen mit friedlichen Mitteln“. Viele Kommentatoren setzen den Widerstand im Irak mit Bombenlegen gleich. Ich kenne aber viele andere Formen des Widerstands. Der Aufruf von Ajatollah Sistani, der sich dagegen ausspricht, dass die Verfassung von den Besetzern bestimmt wird, ist auch eine Form des Widerstands. Demonstrationen und friedliche Proteste ebenfalls.
Was verstehen Sie unter Widerstand im Irak?
Der Krieg und die Besetzung durch die Koalition waren nicht rechtmäßig. Der Widerstand gegen die Besetzung ist legitim. Die Weigerung von Gruppen im Irak, sich am Regierungsrat zu beteiligen, ist eine weitere Form des Protestes.
Viele Iraker stehen der Besetzung ambivalent gegenüber: Sie wollen das baldige Ende, gleichzeitig aber Schutz vor Anschlägen durch die Amerikaner.
Ich bin mir nicht sicher, ob sich die Menschen tatsächlich den Schutz der Besetzer oder nicht doch den durch die eigene Polizei wünschen.
Sie lehnen Angriffe auf amerikanische Soldaten, irakische Polizisten und Zivilisten ab?
Ja. Wir lehnen Gewalt und besonders Selbstmordattentate ab. Sie führen nicht zu einer friedlicheren Gesellschaft.
Das gemeinsame Ziel von Friedens- und Antiglobalisierungsbewegung sollte der Einsatz für ein schnelles Ende der Besetzung sein?
Ja, es muss darum gehen, Wege zu finden, wie die Besetzung baldmöglichst beendet werden kann. IPPNW schaut z. B.: Wo kollaboriert die deutsche Regierung mit den USA? Wenn die Bundesregierung ein Bundeswehrlazarett in den Irak schicken würde, wäre das eine Form der Kollaboration. Besatzungsregime können nicht zur Lösung der Fragen im Irak beitragen. Das kann nur das irakische Volk.
Irakische Politiker vergleichen die Situation des Landes oft mit Nachkriegsdeutschland. Ist eine Demokratisierung unter Besetzung nicht möglich?
Ich sehe nicht, wie das im Irak zu schaffen ist. Im Irak haben wir eine völlig andere Situation als im Nachkriegsdeutschland.
Sollte man für ein Ende der Besetzung notfalls auch ein Bündnis mit Islamisten eingehen, solange sie keine Gewalt ausüben?
Fakt ist: Es muss einen Dialog mit allen Gruppen geben, auch mit den religiösen Kräften. Eine regionale Friedenskonferenz wäre eine Alternative.
Wäre eine Rückkehr der UN ein Weg?
Ja, wenn die UN den Prozess bestimmt und sich die USA zurückziehen, einschließlich der Besatzungstruppen.
INTERVIEW: INGA ROGG