piwik no script img

Archiv-Artikel

Polizei zu schlagkräftig

Es kommt immer wieder zu Misshandlungen, wenn die Polizei Verdächtige festnimmt. Amnesty dokumentiert 20 Fälle – und beklagt, dass Prügelpolizisten meist ungeschoren davonkommen

BERLIN taz ■ Die deutsche Polizei langt bei Festnahmen viel härter hin, als es die Verfassung erlaubt. Die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) kommt in einem gestern herausgegebenen Bericht sogar zu dem Schluss: „Polizisten haben in Deutschland auch in den letzten Jahren zahlreiche Menschen misshandelt.“ Das Problem der Polizeigewalt: Die Fälle sind schwer aufzuklären, weil die Behörden ihre Verfehlungen nur „schleppend und wenig objektiv“ ermittelten. Amnesty international hat 20 Vorfälle dokumentiert, 16 davon gegen Ausländer oder Deutsche ausländischer Herkunft.

Einen der krassesten Übergriffe erlitt Josef Hoss aus St. Augustin bei Bonn. Der 51-jährige Fliesenleger war im Auto unterwegs, als ihn ein Spezialeinsatzkommando der Kölner Polizei in James-Bond-Manier stoppte. Maskierte schlugen die Scheiben von Hoss’ Wagen ein, zerrten ihn heraus und fügten ihm schwere Verletzungen zu – darunter Rippenbrüche, eine Schädelprellung und Hämatome quer über den Körper.

Das SEK hatte es auf den Kleinunternehmer abgesehen, weil er angeblich gegen das „Kriegswaffenkontrollgesetz“ verstoßen habe. Statt Handgranaten, wie ein geheimer Informant der Polizei gesteckt hatte, fand die Polizei in Hoss’ Wohnung lediglich Dekorationswaffen. Die Anklage wurde fallen gelassen – Ermittlungen gegen die schlagkräftigen Beamten allerdings nie aufgenommen.

Für amnesty der typische Hergang. „Es kann jeden von uns treffen“, sagte die Generalsekretärin von ai Deutschland, Barbara Lochbihler. Sie fordert deshalb die Einrichtung eines unabhängigen Kontrollgremiums: „Es benötigt die Kompetenz, eigene Untersuchungen durchzuführen.“ Lochbihler schlug vor, bei den Staatsanwaltschaften Sonderabteilungen einzurichten. Amnesty veröffentlichte bereits 1995 und 1997 Beispiele von Polizeiübergriffen.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht die von ai gelisteten Fälle hingegen als gänzlich untypisch. „Das sind bedauerliche Ausnahmefälle“, sagte der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg gegenüber der taz. Fast 90 Prozent der Anzeigen gegen Polizisten erwiesen sich als haltlos. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), widersprach. Sie sagte, die Vorwürfe müssten ernst genommen werden. Beck bezog sich darauf, dass ein Großteil der Übergriffe gegenüber Ausländern erfolge. CHRISTIAN FÜLLER

inland SEITE 6