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Archiv-Artikel

Der Vitamin-Friedenscocktail des Dr. Rath

Ohne Vitamine gibt es keinen Frieden in der Welt. So heißt Matthias Raths Botschaft. Sie ist dreist – und erfolgreich

BERLIN taz ■ Die Botschaft ist schlicht: Make Health Not War. Ausgesandt wird sie mit ganzseitigen Zeitungsanzeigen und auf Plakatwänden von dem Arzt und Unternehmer Matthias Rath. In den 80er-Jahren war Rath Friedensaktivist. Später arbeitete er in den USA mit dem Friedensnobelpreisträger und Vitaminforscher Linus Pauling zusammen. Eine hohe Zufuhr von Vitamin C, so der Schluss von Pauling, böte Schutz gegen Erkältungen und sogar gegen Krebs. Pauling entwickelte zusammen mit Rath eine Geschäftsidee: Den Handel mit Vitaminpillen.

Aber noch eine andere verkaufsfördernde Kombination fand Rath. Vitamine und Frieden, das lässt sich prima miteinander vermarkten. Der Unternehmer mit den marktschreierischen Anzeigen verkauft seine Produkte über ein Vertriebsnetz von 50.000 „Beratern“ weltweit. Geschätzter Jahresumsatz: 60 Millionen Euro.

Das eigentliche Ziel Raths besteht aber offenbar darin, teure Vitaminpräparate auch in Deutschland zu vertreiben, die aufgrund ihrer hohen Konzentration gar nicht verkehrsfähig sind. Rath scheint die gesetzlichen Schlupflöcher zu kennen. Er agiert heute von den Niederlanden aus und beliefert von dort seine Kunden.

Gemischt mit den politischen Aussagen der Friedensbewegung fordert Rath die Handelsfreigabe seiner Produkte. „Die Terrorismusangst wird von den Pharmakartellen geschürt, um von einem tausendfach größeren Terror abzulenken“, wettert Rath. Dieser Terror bestehe im Fortbestehen von Krankheiten wie Aids, Herzinfarkt oder Krebs, deren „Ausrottung“ die Pharmaindustrie nicht zulasse. Mit Hilfe seiner „Zellularmedizin“, wie Rath seine Heilkunde nennt, seien aber alle Krankheiten heilbar.

„Dieser Mann nutzt die Themen der Friedensbewegung und von Pharmakritikern, um für seine Vitaminprodukte zu werben“, sagt Ute Watermann. Die Sprecherin der Ärzte gegen den Atomkrieg, IPPNW, ist von dem aggressiven Werben Raths entsetzt. Seine Gesetzesinitiative „Vitaminfreiheit“ ziele darauf ab, Vitamine, Mineralstoffe und andere so genannte Naturheilmittel auch in potenziell schädlichen oder giftigen Mengen ohne die Einschränkungen des Arzneimittelgesetzes als „Nahrungsergänzung“ verkaufen zu dürfen. „Diese Kampagne kann die IPPNW nicht mittragen“, sagt Watermann.

Rath schreckt in seinen Anzeigen vor dreisten Behauptungen nicht zurück. Den amerikanischen Präsidenten George W. Bush, so behauptet er, habe er durch Anzeigen davon abbringen können, einen Atomkrieg gegen den Irak zu führen. Seinen Fans und Kunden schmeichelt er bei seinen öffentlichen Auftritten. „Diese Kampagne wurde von Ihnen bezahlt – den Menschen, die in unserer Allianz zusammengeschlossen sind.“ Seine Anhänger seien eine weltweite Widerstandsbewegung. Der „Widerstand“ besteht darin, an die Wirkungen seiner Vitamine zu glauben – und die Produkte zu kaufen. DANIEL RÜHMKORF