piwik no script img

Archiv-Artikel

„Ich bin unschuldig“

Mehr will Lew Rywin, Filmproduzent von „Schindlers Liste“, nicht sagen.Er steht in Warschau wegen einer Korruptionsaffäre vor Gericht

aus Warschau GABRIELE LESSER

Der größte Saal im Warschauer Bezirksgericht reichte nicht aus. Hunderte Schaulustige drängten sich in den Korridoren und vor dem Gericht. Doch die große Sensation blieb aus. In der politisch brisantesten Schmiergeldaffäre der letzten Monate stand Lew Rywin, einer der bedeutendsten Filmproduzenten Polens, vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 58-Jährigen vor, er habe von dem größten polnischen Verlag Agora ein Schmiergeld in Höhe von 17,5 Millionen Dollar zu erpressen versucht. Im Gegenzug hatte Rywin dafür sorgen wollen, dass „Leute, die die Macht in Händen halten“, ein für Agora günstiges Mediengesetz im Parlament durchsetzten. Leszek Miller, der Ministerpräsident Polens, so hatte Rywin versichert, sei eingeweiht. Das Geld solle auf das Konto der regierenden Partei Bündnis der demokratischen Linken (SLD) fließen. Er selbst erwartete, für seine Mittlerdienste den Chefposten im Fernsehsender Polsat zu bekommen, den Agora kaufen wollte.

Alle erwarteten, dass Rywin nun endlich etwas sagen würde. Immerhin hält die Affäre Polen schon seit Dezember letzten Jahres in Atem. Doch der Filmproduzent, der unter anderem an „Schindlers Liste“ von Steven Spielberg und „Der Pianist“ von Roman Polanski beteiligt war, schwieg auch am Dienstag beharrlich. Zwar hatte er vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss noch angekündigt, dass er vor Gericht endlich zu den Vorwürfen Stellung nehmen würde. Doch nun beteuerte er lediglich seine Unschuld und behauptete, Opfer einer Intrige geworden zu sein. Nicht er sei mit einem Angebot zu Agora gekommen, vielmehr sei Adam Michnik, der Chefredakteur der im Agora-Verlag erscheinenden Tageszeitung Gazeta Wyborcza, zu ihm gekommen. Fragen der Staatsanwältin und der drei Richter ignorierte Rywin. Lediglich Fragen seiner eigenen Anwälte ließ er zu und las dann vorformulierte Antworten vom Papier ab.

Rywin fühlt sich bereits als schuldig vorverurteilt. Tatsächlich hat er schlechte Karten, da Adam Michnik das entscheidende Schmiergeldgespräch mit Rywin geheim mitgeschnitten hat. Aus bisher nicht ganz geklärten Gründen veröffentlichte Michnik das brisante Material jedoch erst ein halbes Jahr später. Er habe zunächst auf dem Weg des investigativen Journalismus herausbekommen wollen, wer die Hintermänner Rywins waren, erklärte Michnik vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Zu diesem Zweck habe er Miller angerufen und gefragt, ob er Rywin tatsächlich mit der 17,5-Millionen-Dollar-Forderung vorgeschickt habe, was dieser aber entrüstet von sich gewiesen habe. Eine von Michnik arrangierte Gegenüberstellung Millers und Rywins habe ihn überzeugt, dass Miller unschuldig sei. Weitere Recherchen hätten kein Ergebnis gebracht und den Kreis der „Leute, die die Macht in Händen halten“, nicht aufdecken können.

Weder Michnik, Miller noch Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski, der ebenfalls frühzeitig von der Affäre erfuhr, schalteten die Staatsanwaltschaft ein. Miller begründete das vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss damit, dass die Regierung bereits einen Kompromiss mit dem Verlag Agora gefunden hatte, so dass der Verlag doch ins Fernsehgeschäft einsteigen konnte, was der ursprüngliche Gesetzesentwurf verhindert hätte. Wozu also hätte man Rywin anzeigen sollen? Dass der Filmproduzent sich nun doch vor Gericht verantworten muss, scheint ebenfalls mit dem Mediengesetz zu tun zu haben. Denn trotz des „Kompromisses“, für den Agora nichts bezahlen musste, wurde das Gesetz in den folgenden Monaten nicht verabschiedet. Im Dezember 2002 veröffentlichte Michnik dann das mitgeschnittene Gespräch. Die genauen Hintergründe muss nun das Gericht klären.