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Archiv-Artikel

KIRSTEN FUCHS über KLEIDER Lila verpackt, weiblich und morbid

Gegen Kleiderekel und Verpackungsrichtlinien von manchen Männern hilft nur eins: sie nicht mehr treffen

Ein Freund von mir hat dermaßen krasse Ansichten über Frauen und ihre Verpackung, dass ich nur noch mit ihm telefoniere. „Verpackung!“, sagt er, und wenn ihm nicht gefällt, was er sieht, sagt er „Verpackungsmüll!“.

Ich kann das einfach nicht mehr: Mir zu Hause vor dem Spiegel überlegen, was ich anziehen könnte, ohne ihn anzuekeln. Mir fallen auch nicht immer alle seine Richtlinien für nicht umweltverschmutzende Frauenverpackung ein. Es sind an die zwanzig.

Ich weiß nur die ersten drei: 1. Alles was kaputt ist, stinkt. 2. Trage keine Farben, die dir allzu gut stehen, denn das wirkt langweilig. 3. Streifen sind infantil. Die anderen Richtlinien fallen mir nicht sofort ein, und auch schon die ersten drei stempeln mich als geschmacklos ab.

Er ekelt sich sehr viel. Er ekelt sich vor jeder Frau, mit der er nicht schlafen will. „Man ist doch nackt im Bett“, sage ich zu ihm, aber er schüttelt sich bei dem Gedanken, die Zofenschuhe einer Frau stünden in seinem Flur. Zofenschuhe (Originalton): „bis kurz über den Knöchel, so wie Pariser Mode, kleine Absätze, mit ganz dünnen Schnürsenkeln“. Ich weiß nicht genau, was er mit Zofenschuhe meint, es sei denn, er spricht von Beamtinneneiertretern. Außerdem sind Strumpfhosen widerlich, und er will weder einer Frau die Strumpfhose ausziehen, noch soll sie diese selbst ausziehen und auf seinen Stuhl schweben lassen wie eine dichte Spinnwebe.

Wobei es bei Strumpfhosen gar nicht so sehr um Ekel geht, wie ich den Eindruck habe. Da handelt es sich fast schon um Angst. Als Kind muss ihm mal was Schlimmes mit einer Strumpfhose passiert sein. Eine dicke Tante will ihm einen Bonbon schenken und lutscht ihn für das Kind an, nimmt den nassen Campino aus dem geschminkten Mund, reicht ihm den Neffen, der Bonbon fällt auf den Oberschenkel der Tante und die sagt, der Bub soll ihn abessen. Der Junge tut das und seine Lippen berühren die Strumpfhose, die reißt, weil der Bonbon so klebt und der Bub so dran zieht. Und dann: Laufmasche und Ohrfeige und in der Laufmasche wird noch dazu eine rot leuchtende Krampfader sichtbar, auf die die Tränen des Jungen fallen und verdampfen. So was in der Art.

Das Allerletzte findet er momentan Hosen, an denen überall noch was dran ist, am schlimmsten noch lange Bändchen, „die aussehen, als solle man der Frau die Beine verschnüren und sie in einem Fluss ertränken“. Dann erst die Farbe Lila. Er hasst Lila. Lilafarben verpackte Frauen sehen morbide aus, sagt er. Ich kannte bis dahin nur den Spruch „Lila schützt vor Schwangerschaft“, und vielleicht ist da was dran, denn mein ängstlicher Freund würde nie mit einer Frau in Lila schlafen. Vielleicht noch mit einem lilafarbenen Kondom, und ihre Strumpfhose fällt beim Akt vom Nachttisch auf sein Gesicht und erstickt ihn. Er schläft eigentlich nie mit Frauen, woran natürlich die Frauen schuld sind.

Sie tragen mehr als zwei Farben und manchmal auch mehrere Muster gleichzeitig. „Manche Frauen sehen aus wie Aas, und Aas ist was für Aasfresser, nicht mit mir. Ich bin doch keine Hyäne.“ Er redet davon, was für seelische Abgründe Moderfarben vermitteln und dass er sich davon fern hält, um sich selber zu schützen.

Ich kann das einfach nicht mehr: mir überlegen, was ich anziehen könnte, wenn wir uns treffen. Und wenn meine Turnschuhe Lügnerbotten sind und meine Jacke eine Zwangsjacke? Ich telefoniere mit ihm und wir reden darüber, wie es ihm geht, also was er anhat. Er sagt, er trage minimalistische Kleidung, in der eine Frau aussieht, als wäre sie fantasielos im Bett. „Aber man ist doch nackt im Bett.“ „Aber ich muss die Frau doch erst mal anziehend finden, um sie dann auszuziehen, und anziehend und anziehen hat ja wohl was miteinander zu tun.“ Klingt einleuchtend. „War schön, mit dir zu telefonieren.“ Ob wir uns mal wieder treffen wollen, fragt er. Ich muss gar nicht lange überlegen. „Ich habe nichts Passendes anzuziehen“, sage ich.

Fragen zu Farben? kolumne@taz.de . Morgen: Robin Alexander über SCHICKSAL