: Alle warten auf Moskau
Wenn Russland, wie abzusehen ist, nicht mitmacht, droht Klimaschutz zu scheitern
aus Berlin NICK REIMER
190 Staaten haben die Klimakonvention unterschrieben. Aber was heißt das schon? Die Konvention ist nur eine Willenserklärung. Wirklich bindend für eigene Anstrengungen beim Klimaschutz ist das Kioto-Protokoll. Das sieht vor, die Emissionen klimaschädigender Gase bis 2012 um 5,2 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken.
Zwar haben bislang 118 Staaten dieses Protokoll ratifiziert, doch in Kraft getreten ist es noch nicht. Erst wenn Russland mitmacht, wird das Protokoll zu einem völkerrechtlich verbindlichen Vertrag. Denn damit das Protokoll in Kraft tritt, müssen Länder an Bord sein, die gemeinsam für mindestens 55 Prozent der 1990 in den Industrieländern ausgestoßenen Kohlendioxidemissionen verantwortlich waren. Derzeitiger Stand: rund 44 Prozent. Nachdem Länder wie Kanada und Japan, die sich mit dem Kioto-Protokoll lange sehr schwer getan haben, den Vertrag ratifizierten, fehlt nur noch Russland. Weil das Land allein für 17,4 Prozent der Emissionen verantwortlich ist, würde eine Einwilligung Russlands das Protokoll in Kraft setzen.
Ratifizieren heißt: vom nationalen Parlament absegnen lassen – und damit in nationales Recht umzuwandeln. Selbst wenn die russische Duma wider Erwarten das Kioto-Protokoll jetzt annehmen würde, ändern würde das erst mal nichts. „Die Ratifikation wird erst drei Monate nach Hinterlegung der Unterschrift beim UN-Generalsekretär rechtskräftig“, erläutert Hermann Ott, Abteilungsleiter der Klimaabteilung beim Wuppertal-Institut. Die nächste Klimakonferenz im Dezember in Mailand wird also stattfinden, ohne dass das Kioto-Protokoll gilt.
Immerhin könnte das jüngst auch vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung wieder prognostizierte mögliche Scheitern der EU-Klimapolitik ein Argument für Russland sein, tatsächlich zu ratifizieren. „Angesichts des in den meisten EU-Mitgliedstaaten nach wie vor sehr weiten Abstands des derzeitigen Emissionsniveaus von den verabredeten Zielen bestehen Zweifel an der Zielerfüllung“, heißt es in dem am vergangenen Mittwoch vorgestellten Gutachten. In diesem Falle hätte Europa tatsächlich Interesse, Emissionsrechte von Russland zu kaufen, und Russland hätte davon einen wirtschaftlichen Vorteil.
„Uns läuft die Zeit davon“, fürchtet Regine Günther, Klimaschutz-Referentin beim Umweltverband WWF. Da nächstes Jahr in Russland Präsidentenwahlen anstehen, müsse die Ratifizierung spätestens im Frühjahr unter Dach und Fach gebracht werden. Günther: „Ansonsten wird der internationale Klimaschutz um mehr als ein Jahr zurückgeworfen.“ Ott sieht wesentlich weitreichendere Konsequenzen: „Ob die nächste Duma sich noch einmal zu einer Pro-Kioto-Haltung durchringt, ist mehr als fraglich.“
Nach wie vor lehnt der andere große Klima-Gas-Emittent – die USA – die Ratifizierung des Beschlusses ab. Der ehemalige Präsident Bill Clinton hatte bei der Konferenz in Kioto 1997 das Protokoll zwar unterzeichnet, es wurde jedoch nie vom Senat ratifiziert. Die Amerikaner begründen ihre Ablehnung mit dem hohen Energiebedarf ihrer Industrie. Die müsste tatsächlich enorme Anstrengungen unternehmen, um einmal eingegangene Verpflichtungen auch umzusetzen. Schafft sie das nicht, müsste der hoch verschuldete Staat zahlen.
Ott beurteilt eine derartige Politik so: „Unterzeichnen kann man viel. Man muss aber beitreten.“ Falls Russland nicht beitritt, wäre das „eine ziemliche Katastrophe für den Klimaschutz“. Das gesamte Klimaschutz-Vertragswerk müsste dann neu ausgehandelt werden.