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Archiv-Artikel

Von den Segnungen der Globalisierung

In ihrem Buch „Die 10 Irrtümer der Globalisierungsgegner“ widerlegen zwei Wirtschaftsjournalisten einen weit verbreiteten Glauben: Der Freihandel sei schlecht für die Entwicklungsländer und vernichte hierzulande Arbeitsplätze

HAMBURG taz ■ Die Welt ist ein Jammertal: In Hanoi klebt ein ausgebeuteter Arbeiter für 20 Cent die Stunde Gummisohlen unter Nike-Schuhe, die am anderen Ende der Welt 150 Dollar kosten. In New York schiebt ein Broker per Computerklick Milliarden über den Globus, während ein armer Schwarzer in Kamerun den letzten Tropenbaum im Dorf fällt, um seine Familie zu ernähren. Und wer ist schuld? Die Globalisierung? Unsinn, sagen die Autoren des Buches „Die 10 Irrtümer der Globalisierungsgegner“. Welthandel und Globalisierung sind gut! Ohne sie wären die Armen noch ärmer, die Reichen noch reicher! Dafür liefern die Wirtschaftsjournalisten Markus Balser und Michael Bachmüller (beide Süddeutschen Zeitung) reichlich Argumente, zerpflücken Stück für Stück die zehn beliebtesten Vorurteile von Attac-Aktivisten und Anti-Weltbank-Spontis.

Beispiel Armut: „Globalisierung dient nur der Ausbeutung der Entwicklungsländer“, sagen Attac-Anhänger. Stimmt nicht, sagen die Autoren. Im Gegenteil: Durch den freien Welthandel verdient die Dritte Welt mehr Geld als je zuvor – wenn auch auf erschreckend niedrigem Niveau. Seit Mitte der 80er sank weltweit der Anteil derjenigen, die weniger als einen Dollar pro Tag verdienen, von 22 auf 18 Prozent. „Globalisierungsgegner übersehen, dass mit der Verlagerung von Arbeitsplätzen in Entwicklungsländer Einkommenspotenziale von den reichen in die ärmeren Länder abwandern – und das beinhaltet genau das Gegenteil von Ausbeutung.“

Aber: Vernichtet die Globalisierung dann nicht unsere Arbeitsplätze in Europa? Auch Unsinn, meinen die Autoren: „Schon jetzt importieren die Entwicklungs- und Schwellenländer per saldo mehr, als sie ausführen, und sichern so Arbeitsplätze in der entwickelten Welt.“

Beispiel Umwelt: „Globalisierung zerstört die Natur in der Dritten Welt“, so das Argument der Welthandels-Gegner. Stimmt nicht, sagen die Autoren. Globalisierung zwingt sogar Konzerne und arme Länder auf Dauer, bessere Umweltstandards zu beachten, um weiter Kredite von der Weltbank zu bekommen. Umgekehrt: Boykotte wie gegen Tropenholz führten dazu, dass etwa in Brasilien Tropenwälder nicht mehr nur ausgebeutet, sondern gleich hektarweise für die Viehzucht gerodet wurden. Nur so konnte die arme Landbevölkerung überhaupt ihr Einkommen sichern. Inzwischen haben ganze Regionen in Brasilien sich von allein auf moderne Industriezweige (Hifi, Fahrräder, TV) spezialisiert. Damit – durch die Beteiligung am Welthandel, höhere Einkommen – können sie weit gehend auf die Vernichtung der Regenwälder verzichten. Merke: Nicht Globalisierung, sondern „Armut ist das schärfste Gift für die Umwelt“ (Indira Ghandi).

Das Buch zeichnet ein recht positives Zukunftsbild, in dem weltweit agierende Konzerne wie Coca-Cola oder Shell im Zusammenspiel mit Weltbank und Währungsfonds die Erde zwar nicht schlagartig von der Armut befreien, der globalisierte Kampf gegen Elend und Hunger aber schon jetzt deutliche Fortschritte zeigt: „Die Armut ging weltweit in den vergangenen 50 Jahren stärker zurück als in den 500 Jahren zuvor“, zitiert das Autorenduo einen UN-Bericht.

Interessantes Detail am Rande: Auch die von Attac-Aktivisten so oft angeprangerte Kinderarbeit wird durch Globalisierung und Welthandel nicht gefördert, sondern zurückgedrängt. Maximal drei Prozent der weltweit 246 Millionen arbeitenden Kinder, so eine Unicef-Studie, sind in Filialen oder Zulieferbetrieben von internationalen Konzernen beschäftigt. Die Kinderarbeit in der Dritten Welt (angeblich durch Ikea-Teppiche und Adidas-Turnschuh gefördert) dient überwiegend dem Haushalt von Eltern, die wegen ihres Jobs keine Zeit für Hausarbeit haben. In aufstrebenden Ländern wie Vietnam zeigt sich: Je mehr die Eltern durch das Engagement internationaler Konzerne verdienen, umso seltener lassen sie ihre Kinder mitarbeiten.

Fazit des Anti-Anti-Globalisierungs-Buches: „Die Globalisierung hat nicht nur komplexere Unternehmen, sondern auch größere Märkte und mehr Wettbewerb hervorgebracht. Sie ist Fluch und Segen für Unternehmen zugleich. Wer die Macht der Konzerne eingeschränkt wissen will, sollte sich für die Globalisierung stark machen, nicht gegen sie.“ HANS-JÖRG VEHLEWALD

Markus Balser, Michael Bauchmüller: „Die 10 Irrtümer der Globalisierungsgegner – wie man Ideologie mit Fakten widerlegt“, Eichborn Verlag, 244 Seiten, 19,90 EuroHans-Jörg Vehlewald ist Redakteur der Bild-Zeitung