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Archiv-Artikel

kirsten fuchs über Kleider Menschen schauen sich hinterher

Hosen von Punk Royal und T-Shirts, die grüßen: Dieses Jahr gibt es Botschaften für den Arsch

Jetzt eine Runde Mitleid für die armen Modemacher, die immer etwas Neues kreieren müssen. Noch dazu etwas, was nicht aussieht wie für eine neue Science-Fiction-Serie, sondern etwas Straßentaugliches. Auf Laufstegen können Models mit gläsernen Aschenbechern in der Frisur und Plüschtieren als Ohrenwärmer herumwackeln und werden beklatscht. In der Fußgängerzone einer Kleinstadt wird dann auch geklatscht, aber ein bisschen anders: „Haste diiie gesehen? Wie die rumläuft! Das ist die Tochter vom Fleischer. Das muss ich gleich weitererzählen!“ Klatsch und Tratsch über die Dorfvogelscheuchen gibt es schon so lange wie Weizen … seit Anbeginn der Menschheit und ihrer ersten hämischen Grunzlaute.

Schon in der Steinzeit hatten sicherlich nicht alle Sippenmitglieder genug Ziegenmilch, um dafür ein vernünftiges Fell eintauschen zu können. Einige mussten in der borstigen Haut des vor Altersschwäche gestorbenen Wildschweins ums Feuer sitzen, halbschräg gewickelt und mit Kastanienknöpfen, obwohl das schon 100.000 vor Christus out war. Da standen die Chancen schlecht, das Erbmaterial weiterzugeben. Armer Homo sapiens, denn Kleider machen Bräute.

Dieses Jahr hängt aber doch wieder eine neue Idee auf den Drehständern. Von vorne sieht es aus wie eine normale Hose, khaki und beige, Seitentaschen … aber dann, von hinten: eine Aufschrift auf dem Hosenboden. Ich hab es ein paarmal in Zeitschriften gesehen und ein paarmal in echt. Der Schriftzug war immer „Punk Royal“. In altdeutschen Lettern und wie aufgesprüht prangt er auf den Knackärschen von jungen Mädchen, die irgendwie anders sein wollen und darum genau so sind wie die anderen Mädchen, die irgendwie anders sein wollen. Eine Teufelskreislaufmasche in der Strumpfhose des Lebens. Inzwischen wurde mir erklärt, dass „Punk Royal“ ein Kopenhagener Kultlabel ist.

„Punk Royal“ also. Edelpunks sind nicht neu, sehr gepflegt mit feigem David-Beckham-Iro, gesellschaftstauglich. Doch bei Punk Royal bekomme auch ich Bauchschmerzen. Dabei hängt mein Herz nicht mal sehr am Punk, aber ich kann sie vor mir sehen, die totgesoffnen Londoner Punker der ersten Generation, wie sie sich im Grab umdrehen.

Ich kann auch die noch lebenden Punker sehen, wie sie sich auf der Parkbank umdrehen. Das Einzige, was sie haben neben einem Hund und dem Eindruck von Freiheit, ist ihre Identität: nicht Punk Royal, sondern Punk total. Anarchy und die Blechdinger von Feuerzeugen an die Lederjacke gezwackt. Auch das hat alles Einzug gehalten in die Brigitte Young Miss, weil Punk gerade innerhalb des Revivalrevivals zum dritten Mal angesagt ist. Aber ohne Aussage und ohne Alkohol und ohne Anarchy, aber trotzdem mit dem schönen Button mit dem Anarchy-A drin.

Ein A in einem Kreis kann ja fast alles bedeuten: Alltag oder Abgekuckt. Das rote Arbeitsamt-A sieht auch so ähnlich aus. Mit einem A fängt viel an, das Alphabet zum Beispiel. Und ein Zahnarztbesuch: Aaah.“ Das A ist immer ganz weit vorne, da, wo früher auch die Aufdrucke waren, die etwas mitteilen sollten: „Zicke“, „Hexe“, „Edelschlampe“, „Pornostar“, was alles so auf T-Shirts stand. Bald steht das möglicherweise alles am Arsch. Aber warum steht dort dann nicht einfach „Arsch“ oder „Hinten“? Und verweist diese Entwicklung auf einen Prozess, der in der Gesellschaft insgesamt vonstatten geht? Schauen sich die Menschen nur noch hinterher? Oder finden die Mädchen, dass ihr Hintern zu wenig Beachtung bekommt?

In einem Lied von Stereo Total heißt es: „Du bist schön von hinten.“ Damit ist gemeint, dass eine Person nervt und endlich gehen soll. Vielleicht steht in Zukunft auf den Hosenböden: „Und tschüs!“ Fände ich konsequent.

Es gibt auch T-Shirts, da steht „Guten Tag“ drauf. Sehr höflich! Man kommt in der Stadt so oft nicht dazu, alle zu grüßen. Aber der freundliche Wunsch stammt von der Band „Wir sind Helden“, und der Bandname steht hinten auf den T-Shirts. Das ist auch schon wieder Quatsch, denn alle Fans können nicht Helden sein und diese Behauptung spazieren tragen. Die neuen Helden der deutschen Musikszene sind Helden, und die Fans sind nur die Fans. Darum sollte auf den T-Shirts stehen: „Guten Tag, wir sind die Fans von Wir sind Helden.“

Vielleicht auch einfach was ganz Persönliches: „Guten Tag. Ich bin“, dann der Name, und auf dem Po steht dann die Telefonnummer. RUF-MICH-AN! Das ist doch arschlos, wie man auf der Gesamtschule sagte, auf der ich sozialisiert wurde. Arschlos: Es hat keine Pointe, Modemacher! PO-inte. Ha!

Fragen zu Hosenböden? kolumne@taz.de