: Abbas zwischen allen Fronten
Palästinenserbehörde geht gegen Extremisten vor. Waffenschieber verhaftet, Schmuggelkanäle im Gaza-Streifen versiegelt. Premier Abbas müht sich weiter um eine Fortsetzung der Waffenruhe. Israel plant vorerst keine Invasion des Gaza-Streifens
aus Jerusalem ANNE PONGER
Am Samstag haben palästinensische Sicherheitskräfte nach diplomatischen Druck der USA und Ägyptens erste Schritte gegen militante Kräfte im Gaza-Streifen unternommen. Die Islamisten-Organisationen Hamas und Dschihad hatten die Waffenruhe (Arabisch: Hudna) nach der Liquidierung von Hamas-Führer Ismail Abu Schanab aufgekündigt und geschworen, Israels Straßen in „Flüsse von Blut“ zu verwandeln. Gerüchte über eine bevorstehende Ernennung des Arafat-Loyalisten General Nasser Jussef zum Innenminister wurden zunächst dementiert.
Polizisten der Präventiven Sicherheit von Sicherheitsminister Mohammed Dahlan verhafteten im Gaza-Streifen ein Dutzend Waffenschmuggler und versiegelten vier Tunnel zwischen Ägypten und dem Gaza-Streifen, durch die Waffen und Sprengstoff eingeschleust worden waren. Im nördlichen Gaza-Streifen wurden Polizisten eingesetzt, um Kassam-Raketen vor Abschuss auf israelische Ortschaften aufzuspüren. Mit mäßigem Erfolg: Am Sonntagmorgen schlug eine Rakete am Mittelmeerstrand südlich der israelischen Küstenstadt Aschkelon ein. Palästinenser-Premier Mahmud Abbas (auch Abu Masen genannt) unternahm am Wochenende einen Seiltanz zwischen ägyptischen, israelischen und US-Forderungen nach einem entschlossenen Einschreiten gegen die Islamisten und den Bemühungen um eine Neuauflage der Hudna.
Bei der Beerdigung von Hamas-Führer Abu Schanab und seinen beiden Leibwächtern am Freitag in Gaza hatte die aufgebrachte Menge den Rücktritt Abu Masens gefordert. Kurz darauf hatte Hamas-Führer Ismail Haniya jedoch eingeräumt, der Dialog zwischen Hamas und der Palästinenserbehörde müsse nicht unbedingt zu Ende sein. Abbas traf sich am Wochenende wiederholt mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat sowie mit Osama al-Bas, dem Emissär des ägyptischen Präsidenten Mubarak. Mit Amerikanern und Israelis sprach Abbas telefonisch. Gegenstand der Beratungen war vor allem die Vereinigung aller Sicherheitsdienste unter einem Dach und eine Neuauflage der Waffenruhe. Dabei war die von Osama al-Bas vorgeschlagene Ernennung von General Nasser Jussef zum Innenminister erwogen worden. Jussef genießt mehr Vertrauen als Abbas bei Präsident Arafat. Der zögerte bisher, zwei von ihm kontrollierte zentrale Sicherheitsdienste unter Abu Masens und Dahlans Befehl zu stellen. Ein Sprecher Dahlans dementierte allerdings, dass eine Ernennung Jussefs unmittelbar bevorsteht.
Ein „hoher Armeevertreter“ wurde im israelischen Rundfunk mit der Erklärung zitiert, eine Invasion des Gaza-Streifen sei zunächst nicht geplant, um der Palästinenserbehörde Zeit für eigene Schritte gegen Extremisten zu geben. Für die Westjordan-Städte Dschenin und Hebron wurden jedoch ähnlich umfangreiche Militäraktionen wie derzeit in Nablus angekündigt. Die Armee meldete am Sonntag erneut den Fund einer Waffenfabrik in der Altstadt von Nablus.