piwik no script img

Archiv-Artikel

kirsten fuchs über Kleider Männer leiden mit

Das Tragen von Tangas muss man trainieren: Jeden Tag eine Stunde länger tragen – und schon geht’s

Meine Eltern und mich trennt eine schmale Linie. Diese schmale Linie ist ein Stück Stoff zwischen zwei Pobacken. Unabhängig voneinander haben meine Eltern Unverständnis darüber geäußert, dass ich mit dieser Strippe in der Kimme rumrenne.

Tangas sind nicht wirklich ein Thema, über das sich Kinder und Eltern regelmäßig unterhalten. Darum wusste ich nicht von der Ratlosigkeit meiner Eltern über das Tragen von Tangas, obwohl ich seit Jahren schon diese Art Unterwäsche bevorzuge.

Mein Vater fand das seltsam, wie einige Männer vor ihm, weil er es sich unbequem vorstellte und bis dahin den Tanga für eine Art Reizwäsche hielt, die maaaal getragen werden kann, aber nur die drei Stunden im Restaurant, bis das Date zu einer Affäre wird. Danach muss der Tanga nie wieder angelegt werden, um den Mann zu beeindrucken. Erst kurz vor Beendigung der erotischen Anziehungskraft hat er noch mal einen kurzen Auftritt, rot wie die Feuerwehr, die Schlimmeres verhindern soll, aber nicht wird. Der Tanga als nicht alltagstaugliches Stück Sextoy.

Das ist nun wirklich nicht der Grund, dass ich jedes Mal bei H&M wieder Tangas kaufe, wenn ich meinen Leibwäschebestand auffrische. Ich finde sie bequem, ganz einfach. Inzwischen gibt es auch Binden für Tangas. So hat der menschliche Erfindungsgeist einen unpraktischen Umstand verschwinden lassen, der ohne ihn gar nicht erst entstanden wäre.

Denn Tangas sind kein altes Kulturgut. Es gibt wohl Naturvölker, die ähnliche Bekleidung für ihr Geschlechtsteil benutzen. Aber in der modernen Form, mit Snoopy vorne drauf, ist der Tanga eben eher modern. Für die Generation Tanga.

Ja, weil er bequem ist! Das ist der einzige Grund. Männer kann man damit nicht so beeindrucken, wie anzunehmen wäre. Sie sind voll Mitleid bei dem Gedanken, sie müssten den Tag mit einem Fädchen zwischen den Pobacken verbringen. Darum ziehen sie der Dame, mit der sie das Bett teilen, schnell mitfühlend den Tanga aus. Nett von ihnen.

Mein Vater hatte somit reagiert wie andere Männer. Mein Vater ist ein Mann. Ohhkay! Vielleicht dachte mein Vater in dem Moment: „Meine Tochter ist eine Frau! Ohhkay!“ Was hätte er auch sonst tun sollen? Mir das Tragen dieser modernen Art Schlüpfer aus Sorge um meine Gesundheit verbieten? Mir das Taschengeld kürzen? Stubenarrest anordnen, bis ich mir endlich anständige, zu große Zeltschlüppa kaufe? Diese Zeltschlüppa machen mich nervös. Sie ziehen sich quer über den Po, zeichnen sich unter Röcken ab und rutschen herum.

Ein Tanga kann nicht rutschen. Er ist eingeklemmt, der Ärmste. Das schätze ich sehr. Meine Mutter verzog auch das Gesicht zu einer Miene, als ob ich Stacheldraht unter den Achseln trüge, weil das jetzt in ist. Sie hatte aber wenigstens schon mal getestet, wie unangenehm Tangas für sie sind. Natürlich ist das Gewohnheit. Man muss das trainieren. Jeden Tag eine Stunde mehr. Ich kann zum Beispiel keine Sandalen anziehen, die hinten offen sind, diese modernen Flip-Flops, weil ich befürchte, sie würden mir beim schnellen Laufen von den Füßen fliegen. Dass dem nicht so ist, beweisen schnell laufende Mitbürger mit Badelatschen jeden Tag.

Wer wäre ich also, meiner Mutter einzureden, Tangas seien ganz toll, wenn sie sogar schon probiert hat, dass das für sie nicht in Frage kommt? Sie sagte, sie habe den Eindruck gehabt, dass ihr ganzer Arsch nackt sei. Das ist ja auch so. Ist das nicht wunderbar? Mama schüttelte den Kopf. Sie wolle sich nicht fühlen, als hätte sie gar keinen Schlüpfer an, dafür aber eine Strippe zwischen den Backen.

Das klang wirklich nicht erstrebenswert.

Aber „ohne Schlüpfer“ fühlt sich anders an. Das habe ich schon mal getestet, weil eine Freundin davon schwärmte. Das war mir ja nun gar nichts. Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, sind Schamhaare doch eher dicke Haare und können kraft ihrer Locken dünne Kleidchen ausbeulen oder sich sogar durch den Stoff schieben. „Du hast da eine Fussel!“ Ziep! Aua! Nein, das will ich nicht. Ich will einfach einen Tanga anhaben. So unnormal kann das nicht sein. Überall gibt es Tangas zu kaufen. Es gibt Wühltische auf Wochenmärkten mit Tangas, so groß wie ein wirkungsvolles Katapult für den Ersten Mai. Es gibt Tangas für jedermann. Da werden doch nicht heimlich wieder einmal Bedürfnisse des Käufers erst geweckt? Ist der Tanga schon wach, oder schläft er noch?

Vielleicht ist ist der Katapultschlüpfer einfach nichts für die Müttergeneration und auch nichts für die Männerwelt, obwohl es den Männertanga gibt, aber es gibt ja auch den Männerrock, und ich habe nur wenige mutige Freunde, die sich den ganzen Sommer hinterherfeixen lassen.

Fragen zu Katapulttangas? kolumne@taz.de