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Archiv-Artikel

Hamas-Führer in Gaza getötet

Nach dem israelischen Angriff kündigen die Islamisten-Organisationen Hamas und Dschihad die Waffenruhe auf. Das Sicherheitskabinett in Jerusalem beschließt militärische Reaktionen auf den verheerenden Busanschlag vom Dienstag

aus Jerusalem ANNE PONGER

Gestern Mittag ist Ismail Abu Schanab, einer der führenden Hamas-Politiker in Gaza, der gezielten Liquidierung durch die israelische Luftwaffe zum Opfer gefallen. Die radikalislamistische Organisation erklärte daraufhin offiziell das Ende der seit 29. Juni herrschenden Waffenruhe (Arabisch: Hudna). Der Islamische Dschihad schloss sich dem umgehend an. Hamas kündigte eine rasche Vergeltung an.

Außer Abu Schanab wurden seine beiden Leibwächter getötet, die mit ihm im Auto fuhren. Vierzehn Passanten, darunter zwei Frauen, wurden durch Raketensplitter teils schwer verletzt. Aus einem Armeehubschrauber waren fünf Raketen in Gaza-Stadt auf ein Fahrzeug gefeuert worden, in dem sich die drei Männer befanden. Kurz darauf gingen hunderte Palästinenser auf die Straße und riefen nach blutiger Rache.

Abu Schanab galt neben Scheich Ahmed Jassin, Mahmud A-Sahar, Ismail Haniya und Abdelasis Rantisi als führender Kopf des politischen Zweiges der Organisation. Er war während der ersten Intifada acht Jahre lang in einem israelischen Gefängnis inhaftiert und war danach Lehrer am Islamischen College. Kürzlich hatte er in einem Interview erklärt, Hamas akzeptiere die Hudna, behalte sich aber vor, auf Provokationen Israels zu reagieren. Israel warf Abu Schanab die Planung zahlreicher Selbstmordattacken und Entführungen von Soldaten vor.

Der palästinensische Regierungschef Machmud Abbas (Abu Masen) verurteilte die Ermordung von Abu Schanab als „unverantwortlich“. Damit verhindere Israel die geplanten Schritte der Autonomiebehörde im Vorgehen gegen Oppositionelle und versuche sich vor einer Einhaltung des Friedensfahrplans zu drücken. Das fünfköpfige israelische Sicherheitskabinett hatte in der Nacht zum Donnerstag mehrheitlich für eine „begrenzte militärische Antwort“ auf den opferreiche Busanschlag vom Dienstag gestimmt. Nur Justizminister Josef Lapid (Schinui) hatte sich dafür ausgesprochen, Abbas und seinem Sicherheitsminister Mohammed Dahlan noch einige Tage Spielraum zu geben, um eigene Bemühungen im Vorgehen gegen Terrorzellen unter Beweis zu stellen.

Große Armeekontingente waren im Morgengrauen bereits in Nablus, Dschenin und Hebron in Aktion getreten, hatten Häuser von mutmaßlichen Terrorplanern zerstört, Dutzende von Verhaftungen vorgenommen und nach Sprengstoff- und Waffenlagern gesucht. Die Militäroperationen sollen zunächst einige Tage andauern. Dabei sollen die Soldaten gegebenenfalls in alle palästinensischen Orte im Westjordanland und dem Gaza-Streifen einrücken. Für die gezielte Liquidierungen von Führern der Islamisten-Organisationen hatte das Sicherheitskabinett erneut grünes Licht gegeben. Dabei muss auch die Entscheidung zur Ermordung Abu Schanabs gefallen sein.

In Hebron wurde das Haus der Familie von Rael Misk zerstört, der die tödliche Busbombe in Jerusalem gezündet hatte. 17 Palästinenser wurden verhaftet. Die Moschee, in der Misk als Geistlicher fungierte, wurde verriegelt. Bei Feuergefechten in Tulkarm wurde ein Palästinenser getötet.

Die Palästinenserbehörde hatte am Mittwoch bereits Pläne formuliert, um gegen Hamas und Dschihad vorzugehen. Man wollte nach den Drahtziehern der Busexplosion fahnden, illegale Waffen einsammeln und bewaffnete Demonstrationsmärsche verbieten. Ein militärisches Vorgehen der Palästinenserbehörde gegen Hamas und Dschihad war dabei vermutlich keine realistische Option. Etliche Aktivisten haben sich dennoch vor einem israelischen oder palästinensischen Zugriff in den Untergrund begeben.