DER THINKTANK FÜR NAHOSTPOLITIK : Bushs Außenhirn
Von JOEL BEININ *
DAS Washington Institute for Near East Policy (Winep) wurde 1985 gegründet. Martin Indyk, der Gründungsdirektor, war zuvor Forschungsdirektor des American Israel Public Affairs Committee (Aipac), das als die einflussreichste proisraelische Lobby gilt. Indyk schaffte es, das Winep als eine Organisation zu präsentieren, „die zwar eine israelfreundliche Grundeinstellung hat, aber zu Problemen des Nahen Ostens glaubwürdige Forschungsbeiträge mit einem realistischen und ausgewogenen Ansatz liefert“(1). Winep ist einerseits im Bereich Medien höchst aktiv; es liefert Experten für Talkshows in Rundfunk und Fernsehen, und die Chefredakteure der Wochenmagazine US News & World Report und The New Republic sitzen im Beirat des Instituts.
Darüber hinaus pflegt Winep Kontakte zu führenden Politikern der Demokratischen wie der Republikanischen Partei. Sein erster großer Erfolg war die Veröffentlichung des Berichts „Building for Peace – Eine amerikanische Strategie für den Nahen Osten am Vorabend der Präsidentschaftswahlen 1988“. Dieses Strategiepapier ermahnte damals die neue Regierung, sie solle sich nach der Wahl in jedem Falle „dem Drängen auf einen prozeduralen Durchbruch [im Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern] widersetzen, bis die Bedingungen dafür herangereift“(2) []seien. Sechs Mitglieder des Verfasserteams wurden anschließend in die Regierung George Bush berufen. 1991 unterstützte die US-Regierung die israelische Weigerung, direkte Verhandlungen mit der PLO aufzunehmen, obwohl diese im November 1988 die Anerkennung des Staates Israel beschlossen hatte.
Auch die Clinton-Regierung setzte diese hinhaltende Politik fort. Zwischen 1991 und 1993 blieben elf Gesprächsrunden unter US-Schirmherrschaft zwischen israelischen Regierungsvertretern und Palästinensern, die nicht der PLO angehörten, ohne Ergebnis. Als Israel sich zu ernsthaften Verhandlungen mit den Palästinensern durchrang, fanden die entscheidenden Gespräche mit den offiziellen PLO-Vertretern in Oslo statt – ohne dass die Clinton-Administration darüber informiert wurde. Diese Verhandlungen führten schließlich zu der gemeinsamen israelisch-palästinensischen Grundsatzerklärung vom September 1993.
Innerhalb der 1990er-Jahre propagierten das Winep und seine politischen Freunde die Ansichten des israelischen Ministerpräsidenten Rabin, dessen Kampf gegen die radikalen islamischen Strömungen Israel als verlässlichen Verbündeten erscheinen lassen musste. Damit war innerhalb der nach dem Kalten Krieg entstandenen neuen Weltordnung ein neuer Feind definiert.
Das alljährlich stattfindende Winep-Symposium stand 1992 unter der Fragestellung, ob der Islam für die USA eine Gefahr darstelle. Damals vertrat Indyk die Meinung, in proamerikanischen Ländern wie Jordanien und Ägypten sollten sich nur nichtreligiöse Parteien am politischen Prozess beteiligen dürfen.(3) Damit gerieten die USA – sofern sie mit dieser politischen Strategie identifiziert wurden – ins Schussfeld der Islamisten, wie 1992 und 1997 in Ägypten tatsächlich geschehen.
In der Clinton-Administration saßen nicht weniger als elf Autoren, die für den Winep-Report von 1992 über die Beziehungen Israel–USA (mit dem Titel „Enduring Partnership“) verantwortlich waren. Zu ihnen zählten Clintons Nationaler Sicherheitsberater Anthony Lake, die UN-Botschafterin und spätere Außenministerin Madeleine Albright und Verteidigungsminister Les Aspin.
1993 propagierte die Clinton-Regierung eine neue Politik der „doppelten Eindämmung“, die gegen den Iran und den Irak gerichtet war und in praktischer, wenn nicht gar ideologischer Hinsicht ein Vorläufer von George W. Bushs Kampf gegen die „Achse des Bösen“ war. Ausformuliert und öffentlich verbreitet wurde diese Politik in erster Linie von Martin Indyk, der unter Clinton Sonderberater im Rang eines Leitenden Direktors für Angelegenheiten des Nahen Ostens und Südasiens im Nationalen Sicherheitsrat war.(4)
Indyks weitere Karrierestationen waren: US-Botschafter in Israel, Vizeaußenminister für den Nahen Osten und erneut Botschafter in Israel. In allen Positionen spielte Indyk eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen, die man als „Oslo-Friedensprozess“ bezeichnet. Eine weitere Winep-Figur, die maßgeblich für den Oslo-Prozess verantwortlich war, ist Dennis Ross. In der Regierung Bush sen. war er der wichtigste Nahost-Berater von Außenminister Baker und wurde anschließend von Clinton zum Sonderkoordinator für den Friedensprozess ernannt. Nach seinem Ausscheiden aus der Regierung wurde er an die Spitze des Winep berufen.
Bis zum Amtsantritt der Regierung von George W. Bush und den terroristischen Angriffen vom 11. September 2001 tendierte das Winep zu den politischen Positionen der israelischen Arbeitspartei und gemäßigter israelischer Militärs vom Jaffee Centre for Strategic Studies an der Universität von Tel Aviv. Prononciert rechte Ansichten kamen kaum zu Wort. Doch als George W. Bush in Washington einzog, brachte er eine Clique von Nahostexperten mit, die enge Verbindungen mit der israelischen Likud-Partei wie auch mit neokonservativen Thinktanks unterhalten, die harte außenpolitische Positionen vertreten, wie das American Enterprise Institute, das Project for a New American Century, das Jewish Institute for National Security Affairs (Jinsa) und das Centre for Security Policy (SPC). Mehrere zentrale Bush-Figuren waren im Beraterstab des Jinsa tätig gewesen: sowohl Vizepräsident Dick Cheney als auch John Bolton, Vizeaußenminister für Fragen der Abrüstung und der internationalen Sicherheitspolitik, und Douglas Feith, Vizeverteidigungsminister für politische Grundsatzfragen.
Bevor diese Leute ihre Ämter übernahmen, hatte das Winep zu den Regierungskreisen begrenzte, aber wichtige Kontakte. Richard Perle, der ideologische Vater des Irakkrieges (und bis vor kurzem noch Vorsitzender des einflussreichen Defense Policy Board), gehörte zum Verwaltungsrat des Jinsa und gleichzeitig zum Beraterstab des Winep. Auch Perles Vorgesetzter im Pentagon, Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz, hatte einen Sitz im Beraterstab des Winep, bevor er zum engsten Mitarbeiter Donald Rumsfelds wurde.
Das Winep hat seinen Einfluss dadurch gefestigt, dass es wohlweislich sein Personal durch Figuren mit gediegenem neokonservativem Profil ergänzt hat. Zum Beispiel ist inzwischen Jonathan Schanzer, der zuvor ein Forschungsvorhaben beim Middle East Forum betrieben hatte, am Winep beschäftigt. Der Leiter des Middle East Forum ist Daniel Pipes, eine der lautesten antiarabischen und antimuslimischen Stimmen in den USA. Auch Pipes ist heute in das Winep eingebunden. Zudem vergab das Institut einen Forschungsauftrag zu Fragen der israelischen Sicherheitspolitik an Max Abrahms, der zugleich als Kolumnist für das stramm neokonservative Organ National Review Online arbeitet. Auch der frühere FBI-Mitarbeiter Matthew Levitt, der die Winep-Abteilung für Terrorismusstudien leitet, schreibt regelmäßig für die National Review Online und spricht sich dabei ganz offen für die israelischen Counter-Terrorism-Operationen aus.
Ein mit dem Winep assoziierter Forscher, Joshua Muravchik, arbeitet zugleich für das American Enterprise Institute (AEI), das Richard Perle als Operationsbasis dient. Die ideologische Linie dieses Instituts ist an Sätzen wie dem folgenden kenntlich: „Die Vereinigten Staaten müssen sich alle zehn Jahre irgendein kleines beschissenes Land vornehmen und es platt machen, damit die Welt versteht, dass mit uns nicht zu spaßen ist.“(5)
Dass das Winep inzwischen voll auf die Likud-Linie eingeschwenkt ist, zeigt sich am klarsten in der Opposition des Instituts gegen den ursprünglichen, vom „Quartett“ aus EU, UN, Russland und den USA vereinbarten Friedensplan „Roadmap“. Als Argument gegen die Roadmap wird angeführt, diese basiere auf „der heuchlerischen, ja unanständigen These, es gebe eine Parallele zwischen dem Verhalten der Palästinenser und der Israelis“(6). Die Einwände von Dennis Ross gegen diesen Friedensplan sind – wie von einem Exdiplomaten zu erwarten – zurückhaltender formuliert. Aber auch Ross ist der Meinung, dass „der Friedensplan von den arabischern Führern viel zu wenig fordert“(7).
Der politische Rechtsruck des Instituts spiegelt eine parallele Entwicklung im Denken der politischen und militärischen Elite Israels wieder. Seit dem Ausbruch der neuen Intifada im Jahr 2000 wurde der „gemäßigte“ Zionismus, für den das Winep in der Vergangenheit eingetreten war, im innerisraelischen politischen Diskurs an den Rand gedrängt. Zudem reagiert das Winep auch auf die antiarabischen und antimuslimischen Gefühle, die seit dem 11. September das intellektuelle und kulturelle Leben der USA mehr und mehr dominieren. Mit dieser neuen politischen Ortsbestimmung verschafft sich das Winep Zugang zur Bush-Administration, wobei seine Mitarbeiter allerdings nicht mehr zum innersten Kreis gehören, in dem Strategie und Politik für den Nahen Osten formuliert werden.
deutsch von Niels Kadritzke