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Archiv-Artikel

Von innen unterwandert

Voll Frontal: Ein Film von, zwei Bücher über Steven Soderbergh. Beide Monografien beschreiben die Sonderstellung dieses Filmregisseurs in Hollywood – ein Guerillataktiker im Reich des Mainstream

von SVEN VON REDEN

„The luckiest bastard you ever saw“ hat sich Steven Soderbergh selbst genannt. Ein Glückskind scheint er wirklich zu sein: Bereits mit seinem ersten Spielfilm gewann er 1989 die Goldenen Palme in Cannes. Damals war er 26 Jahre alt und der jüngste Regisseur, der den Preis jemals in Empfang nahm. Auch finanziell war „Sex, Lügen und Video“ ein erstaunlicher Erfolg: Unter zwei Millionen Dollar kostete er, über 100 Millionen Dollar spielte er ein. „Ich denke, von hier ab geht es nur noch bergab“, meinte Soderbergh bei der Preisverleihung. Eine grandiose Fehleinschätzung – auch wenn Flops wie „Kafka“ oder „Schizopolis“ seinen viel zitierten Ausspruch zunächst zu bestätigen schienen. 2001 wurde er zugleich für „Traffic“ und „Erin Brockovich“ für den Oskar nominiert. Das hatte zuletzt Michael Curtiz im Jahr 1938 geschafft. Curtiz jedoch ging leer aus, während Soderbergh mit „Traffic“ gewann.

Erfolg gehört zu Hollywood, aber Soderbergh scheint es zugleich mühelos zu gelingen, auch als ein Intellektueller und Künstler wahrgenommen zu werden, der sich nicht vereinnahmen lässt. „Ich hatte schon immer einen Fuß in Hollywood und einen außerhalb – so fühle ich mich wohl“, erzählte Soderbergh 1999 der britischen Filmzeitschrift Sight and Sound. Schon damals, nachdem er gerade für „Out of Sight“ und seine cinephile 60er-Hommage „The Limey“ viel Lob bekommen hatte, hätte man eigentlich eine Soderbergh-Monografie erwarten können, repräsentiert er doch jenen Typus Regisseur, über den in Deutschland in den letzten Jahren vornehmlich Bücher veröffentlicht wurden. Regisseure wie Jarmusch, Lynch, die Coens, Tarantino, Fincher: Sie alle stehen für amerikanisches Kino zwischen konsensfähigem Indietum und anspruchsvollem Mainstream.

Sowohl der bei Schüren erschienene Band „Steven Soderbergh und seine Filme“ als auch der im noch jungen Bender-Verlag herausgekommene „Experiment in Hollywood – Steven Soderbergh und seine Filme“ folgen mit leichten Variationen einem Muster, das sich hierzulande seit der legendären blauen Reihe Film von Hanser aus den 70ern für Regisseurmonografien durchgesetzt hat: Einem oder mehreren Essays und Interviews sowie anderen Selbstzeugnissen des Regisseurs folgen chronologisch ausführliche Besprechungen der einzelnen Filme und im Anhang Bio-, Biblio- und Filmografie. Der Schüren-Band bietet nur einen längeren, recht aufschlussreichen Essay vom Herausgeber Stefan Rogall und ein Interview mit Soderbergh, konzentriert sich sonst auf die Texte zu den Filmen des Regisseurs. Eine Biografie fehlt. Das knapp 100 Seiten dickere und edler gestaltete, von Arnold Frank herausgegebene Hardcover-Buch aus dem Bender Verlag bietet immerhin drei, wenn auch theoretich etwas überladene Essays zu Einzelaspekten seines Werks (Selbstreflexivität, Moralität, Sprache und Körper), ein kurzweiliges Lexikon zu „Stevens Welt“, Gespräche mit Freunden und Kollegen Soderberghs (ein Interview mit ihm selber fehlt) und eine hilfreiches kommentiertes Video- und DVD-Verzeichnis. Waren die Hanser-Bände optisch bisweilen eine eher dröge Angelegenheit, hat sich mittlerweile eine großzügige Bebilderung bei allen deutschen Verlagen durchgesetzt, wobei das Schüren-Buch nach dem Vorbild des Bertz-Verlags ganze Sequenzen mit Hilfe von Fotos nachstellt.

Beide Bücher, besonders der Schüren-Band, hätten allerdings eine sorgfältigere Lektorierung vertragen können. Englische Zitate werden mal übersetzt, mal nicht, und völlig willkürlich scheint der Einsatz von Fußnoten. Auch sprachlich hätte die eine oder andere Überarbeitung gut getan: Im Schüren-Band etwa werden Filme „runtergekürzt“ (hätte es ein einfaches kürzen nicht auch getan?), bei Bender fabuliert ein Autor über „Manipulationen unter der Gürtellinie“ und meint schlicht Onanieren. Das mögen Kleinigkeiten sein, aber gerade bei Sammelbänden mit knapp 20 verschiedenen Autoren und dementsprechend disparaten Texten wird so auch formal keine Klammer geschaffen.

Im Zentrum beider Bücher steht immer wieder Soderberghs Sonderstellung in Hollywood. Bei Frank Arnold heißt es, er „unterwandere Hollywood von innen heraus“, Stefan Rogall spricht sogar von einer „Guerilla“-Taktik. In der Tat gelingt es Soderbergh mittlerweile, nicht nur zwischen Mainstream und kleinen, persönlicheren Projekten zu wechseln, wie etwa dem gerade angelaufenen „Voll Frontal“, sondern mit großen Budgets eher abseitigen cineastischen Obsessionen zu folgen. So brach der introvertierte „Solaris“ so ziemlich alle Regeln für einen hollywoodtauglichen Science-Fiction mit Starbesetzung. Beide Bücher gehen leider nur am Rande auf Soderberghs Pläne ein, mit Kollegen wie David Fincher, Spike Jonze und Alexander Payne ein eigenes Studio zu gründen. Spannend wäre bei beiden Büchern eine Öffnung über den engen Kontext der Werkinterpretation hinaus gewesen hin zu ökonomischen Fragen und einer Verortung Soderberghs im Kontext des „New New Hollywood“, dessen Leitfigur er werden könnte. Soderberghs Arbeiten als Produzent (unter anderem „Dem Himmel so fern“) und Aussprüche von ihm, dass es Amerika nicht an auteurs oder intelligenten Filmen mangele, aber daran, dass sie nicht in 4.000 Kinos gleichzeitig starten, zeigen, dass er sich nicht mit einem Status als relativ machtloser Künstler zufrieden geben will.

Stefan Rogall (Hrsg): „Steven Soderbergh und seine Filme“. Schüren Verlag, Marburg, 240 Seiten, 16,80 EuroFrank Arnold (Hrsg.): „Experimente in Hollywood – Steven Soderbergh und seine Filme“. Bender Verlag, Mainz, 351 Seiten, 18,90 EuroSeit Donnerstag läuft „Voll Frontal“.Regie: Steven Soderbergh. Mit JuliaRoberts, Mary McCormack u. a.,USA 2001, 101 Min.