: „Das ist für mich Kolonialismus“
Karlheinz Böhm, Schauspieler und Gründer der Hilfsorganisation „Menschen für Menschen“, wendet sich gegen den Einsatz deutschen Militärs in Afrika. Stattdessen plädiert er für eine afrikanische Kongo-Truppe. „Hilfe heißt, viele Fragen zu stellen“
Interview: KATHARINA KOUFEN
taz: Herr Böhm, wie wird man vom Schauspieler zum Entwicklungshelfer?
Karlheinz Böhm: Ich wusste über Äthiopien genauso wenig wie über alle anderen Länder. Ich habe einfach die Augen aufgemacht und bin auf die Menschen zugegangen mit der besten Sprache, die es auf der Welt gibt, nämlich einem Lächeln im Gesicht – und die Menschen haben die Arme auch aufgemacht und gelächelt.
Das klingt einfach. Sonst gilt Afrika als Kontinent, an dem schon viele Entwicklungshelfer verzweifelt sind.
Ich identifiziere mich nicht mit dem Begriff „Entwicklungshelfer“. Ich versuche, den Menschen in Äthiopien die Möglichkeit zu geben, sich selber zu helfen …
Das tun andere moderne Entwicklungshelfer auch.
… also nicht, irgendwelche Konzepte umzusetzen, sondern zu begreifen: Warum sind die Menschen so arm? Was brauchen sie wirklich?
Was braucht Afrika denn?
Das findet man heraus, wenn man viele Fragen stellt. Wenn wir zum Beispiel Dörfer gebaut haben, wollte ich wissen, wie groß sollen die Häuser sein? Alles Wissen, dass ich mir in diesen 22 Jahren angeeignet habe, ist aus dieser praktischen Konfrontation gekommen, nicht aus irgendwelcher Expertise.
Wenn Sie ein Projekt in Äthiopien starten – nach welchen Kriterien vergeben Sie Ihr Geld?
Wir haben gerade zwei neue Projekte begonnen. Da habe ich mich mit den Leuten zusammengesetzt, und dann kam eigentlich automatisch raus, dass sie keine Schule haben und dass sie kein Wasser haben. Also bauen wir dort eine Schule und einen Brunnen.
Schüren Sie nicht die Vetternwirtschaft, wenn Sie mit so viel Geld in eine arme Region kommen?
„Vetternwirtschaft“ ist ein Wort, das Deutsche gerne verwenden, wenn es um Afrika geht. Wenn Sie die Vetternwirtschaft in Deutschland betrachten, würde ich nicht wagen zu sagen, dass die Afrikaner mehr Vetternwirtschaft betreiben.
Was halten Sie von der deutschen Afrika-Politik?
Ich habe meine eigene Hilfsorganisation vor 22 Jahren auch deshalb gegründet, weil ich die staatliche Politik sehr kritisch gesehen habe. Sie war an Dinge geknüpft, die grotesk waren. Ein Leitsatz der Entwicklungspolitik war, denjenigen Ländern zu helfen, die ein „der Bundesrepublik ähnliches System“ haben. Man stellt Bedingungen, ohne zu überlegen: Kann eine Demokratie, wie wir sie haben, in einem Land wie Äthiopien überhaupt funktionieren?
Rot-Grün hat einen Afrika-Entwicklungsplan angestoßen. Kriegt man davon etwas mit?
Solche Initiativen kann man nicht sofort bewerten. Wenn man Veränderungen will, muss man in Generationen denken.
Die Hilfsorganisationen warnen vor einer neuen Hungersnot in Äthiopien, Medienberichten zufolge übertreiben sie. Stimmt das?
Nein. Journalisten fahren für ein paar Tage nach Äthiopien und behaupten dann, das sei doch alles nicht so schlimm. Dass in Äthiopien jetzt eine Dürrekatastrophe herrscht, dass das Land mit 1,1 Millionen Quadratkilometern ein Straßennetz von 3.000 Kilometern besitzt und dass die Menschen nicht in der Lage sind, vorhandene Ernten ausreichend zu verteilen – dass können solche Journalisten nicht beurteilen.
In Deutschland steht Afrika aus einem anderen Grund auf der Agenda: Der Kongo-Einsatz. Sollte Deutschland sich militärisch stärker in Afrika engagieren?
Dass Deutschland überhaupt in einem anderen Land militärisch eingreift, das lehne ich radikal ab. Das hat sich in den letzten Jahrtausenden immer als Konfliktstoff erwiesen, der zu größeren Auseinandersetzungen führen kann. Ich bin ein gläubiger Pazifist in meinem Denken. Das ist auch eine Erfahrung, die ich aus dem Zweiten Weltkrieg mitbekommen habe.
Im Kongo bringen sich die Menschen auf brutale Weise gegenseitig um. Trotzdem sollen die Europäer nicht eingreifen?
Nein, die Kolonialarmeen sind noch zu brennend im Hinterkopf. Man könnte versuchen, eine Art regionale Eingreiftruppe in Afrika ins Leben zu rufen, die von den Europäern unterstützt wird. Aber ein Eingriff in Afrika – das ist für mich ganz klar Kolonialismus.