NAHOST: WAFFENRUHE UNTER ALLSEITS UNAKZEPTABLEN BEDINGUNGEN : Placebos für die Hardliner
Nichts wird so heiß gegessen, wie man es kocht. Schon gar nicht im Nahen Osten. Die islamischen Fundamentalisten verkünden die befristete Einstellung ihres bewaffneten Widerstandes und stellen gleichzeitig Bedingungen, die wiederum die israelische Regierung erklärtermaßen nicht akzeptiert. Keine Chance also für die Waffenruhe, die „Hudna“? Dabei müssen die Waffen beider Seiten ruhen – ein einziger Angriff könnte reichen, um das Projekt misslingen zu lassen.
Ariel Scharon tut gut daran, vorerst von riskanten Spielchen abzusehen. Der israelischen Bevölkerung kommen die drei Monate ohne Terror gerade rechtzeitig zu den großen Ferien wie ein Geschenk des Himmels. Die einzige präventive Maßnahme gegen Anschläge ist, von Präventivmaßnahmen abzusehen. Solange die „Hudna“ andauert, wird der israelische Premier dem Druck aus dem rechts-konservativen Regierungslager standhalten. Ideologisch wird er den Hardlinern im Kabinett Recht geben – und doch stillhalten. Die Hamas macht es ähnlich. Ihre Bedingung, die Blockade des Amtssitzes von Palästinenserpräsident Jassir Arafat aufzuheben, ist zwar eine nette Geste an den alten Freiheitskämpfer. Den Erfolg der „Hudna“ werden die islamischen Fundamentalisten davon aber nicht abhängig machen.
Anderes gilt für die Forderung, dass die politischen Häftlinge freikommen. Die eigenen Aktivisten im Stich zu lassen, kann sich die Hamas nicht leisten. Damit fordert sie der israelischen Regierung aktive Zugeständnisse ab. Fatah-Chef Marwan Barghouti, der sich selbst in diesen Tagen vor einem israelischen Gericht verantworten muss, führte die Waffenstillstandsverhandlungen. Zwar wird sich Scharon von ihm und der Hamas nicht diktieren lassen, wer aus israelischen Gefängnissen entlassen wird. Entscheidend ist jedoch, dass dieser Prozess erst einmal in Gang kommt.
Wenn die Hamas mit einer Wiederaufnahme der Gewalt die Befreiung der restlichen Männer riskiert, werden selbst die eigenen Aktivisten für eine Fortsetzung der „Hudna“ plädieren. Die Oppositionsgruppen werden jeden entlassene Häftling als Erfolg ihrer neuen, pragmatischen Strategie präsentieren. SUSANNE KNAUL