: Trockener Finne folgt auf bunten Vogel
Matti Vanhanen wird Finnlands neuer Regierungschef. Der 47-Jährige steht für einen skeptischeren EU-Kurs
Zurück zu den Wurzeln: Finnlands Zentrumspartei versucht einen Neustart, nachdem das kurzfristige Abenteuer mit Anneli Jäätteenmäki, einer völlig untypischen Politikerin für diese ländlich verwurzelte Partei, gescheitert ist.
Statt einer Ministerpräsidentin, die mit ihrem modischen Auftreten gleich als Vorbild in den Frauenzeitschriften fungierte und die geeignet gewesen wäre, die üblichen EU-Gruppenbilder mit vereinzelter Dame etwas aufzulockern, bietet sich nach nur zwei Monaten wieder das gewohnte Bild eines finnischen Regierungschefs: männlich, grau, groß, schlank und trocken.
Trocken ist Matti Vanhanen gleich in mehrfacher Hinsicht. Nur engste Vertraute sollen jemals einen Scherz von ihm gehört haben. Ganz selten huscht in der Öffentlichkeit mal ein Lächeln über sein Gesicht. Britischen Humor immerhin soll der Familienvater mit zwei Kindern aber sehr schätzen.
Trocken ist der 47-Jährige jedoch auch in anderer Hinsicht. Anders als das von Aki Kaurismäkis Filmen geprägte Finnlandbild suggeriert, gibt es nämlich auch in diesem Land Menschen, die keinen Tropfen Alkohol anrühren. Nicht aus religiösen Gründen ist Vanhanen „Nüchterist“ – er mag nach eigener Aussage Alkohol einfach nicht. Bei Auslandsempfängen wird man künftig neben den Sektgläsern ein Gläschen Sprudel aufs Tablett stellen müssen.
Mit einer Hochschulausbildung als Staatswissenschaftler, von Beruf Journalist, vorwiegend in der Parteipresse, hat Vanhanen nach einem langen Marsch durch die Parteiinstitutionen den richtigen Stallgeruch. Und er genießt Vertrauen in seiner Partei. Ohne Diskussion wurde er zum Nachfolger von Jäätteenmäki gekürt, die am Umgang mit der Wahrheit gescheitert war.
Als 35-jähriger Vorsitzender der Zentrumspartei-Jugend wurde er 1991 erstmals als Abgeordneter in den Reichstag gewählt. Hier beschäftigte er sich zunächst vor allem mit Umweltfragen. Obwohl er die letzten zwölf Jahre im Vorstand des finnischen Elektrizitätskonzerns Fortum gesessen hat, ist er – anders als die Stromlobby – Gegner des Baus eines fünften Atomreaktors in Finnland. Sein zweiter Schwerpunkt ist Außen- und Sicherheitspolitik. Der Reichstag hatte den EU-Fachmann als einen seiner Vertreter in den EU-Verfassungskonvent gewählt. Dort war er bis zu seinem Ausscheiden vor zwei Monaten – aufgrund seiner Ernennung zum Verteidigungsminister – einer der schärfsten Kritiker des „undemokratischen und völlig inakzeptablen“ autoritären Stils von Konventspräsident Giscard d’Estaing gewesen. Bis zuletzt war er Gegner der Schaffung eines Präsidentenpostens und kämpfte gegen eine Schwächung der EU-Kommission. Aus Helsinki wird mit Vanhanen ein deutlich EU-skeptischerer Wind nach Brüssel wehen als unter Jäätteenmäki und Lipponen.
In der Innenpolitik gilt er als im Zweifel konservativ. Prinzipienfest, ausgesprochen belesen und immer blendend informiert, dürfte er sich schnell im neuen Amt zurechtfinden, obwohl er bis auf die kurze Periode im Amt des Verteidigungsministers bislang über keinerlei Kabinettserfahrung verfügt. Auch als Ministerpräsident hofft er, genug Zeit für das zu finden, was er nach eigener Aussage am liebsten in seiner Freizeit tut: mit seiner Familie zusammensein und – Holz hacken. REINHARD WOLFF