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Archiv-Artikel

mordanschlag Israels Militär unter Sabotageverdacht

Stand die PLO über Jahrzehnte in dem Ruf, keine Gelegenheit zu verpassen, um einen politischen Fehler zu machen, so kann sich Ariel Scharon in diesem Punkt mit seinem Erzfeind Jassir Arafat durchaus messen. Der unsägliche Versuch, den Sprecher der Hamas, Abdelasis Rantisi, zu ermorden, stärkt nicht nur die Extremisten und Widersacher des eben aufgenommenen Friedensplans, er wird zudem schon sehr bald neue Opfer – diesmal auf israelischer Seite – bringen.

Kommentar von SUSANNE KNAUL

Die Hamas hat noch selten einen Angriff schweigend hingenommen. Ähnlich wie die PFLP vor zwei Jahren für den Tod ihres Führers den Kopf eines israelischen Politikers forderte, werden nun auch die islamischen Fundamentalisten einen hohen Preis verlangen. Die Hamas hat andere Methoden als die PFLP. „Qualität“ wird durch Quantität ersetzt. Für sie muss es nicht unbedingt ein Politiker sein, wichtig ist, dass möglichst viele Juden sterben. Fast einhundert Menschen in Tel Aviv und Jerusalem fielen im Frühjahr 1996 den Vergeltungsanschlägen der Hamas zum Opfer, nachdem israelische Agenten im Telefon des Bombenbauers Yachije Ajasch einen Sprengsatz versteckten, der ihm den Kopf vom Körper riss.

Zweifellos gehört Rantisi nicht gerade zu den Politikern, die den Friedensprozess vorantreiben. Wäre er einer Herzattacke erlegen, hätte ihm wohl auch Abu Masen keine Träne nachgeweint. Eine unmittelbare Beteiligung an der Planung von Terroranschlägen konnte ihm indes nicht nachgewiesen werden. Allein seine antiisraelischen Hetzkampagnen sind Grund dafür, dass der israelische Nachrichtendienst den Namen Rantisi auf die schwarze Liste setzte.

In der Regel geben strategische Überlegungen bei der Planung von Exekutionen den Ausschlag. Zugeschlagen wird immer dann, wenn es möglich ist und – so zumindest die offizielle Version – wenn die Bedrohung Dritter ausgeschlossen ist. Der Überfall am helllichten Tag und auf einer der belebtesten Straßen im Zentrum Gazas deutet darauf hin, dass die Israelis es eilig genug hatten, um den Tod von Unbeteiligten in Kauf zu nehmen. Rantisi lebt nicht etwa im Untergrund, sondern ist in seiner Funktion als Sprecher der Hamas beispielsweise für Journalisten problemlos auszumachen. Die Wahl des Zeitpunkts lässt zumindest die Frage zu, ob diesmal nicht doch politische Überlegungen die strategischen in den Schatten stellten: keine verpatzte Gelegenheit, sondern gezielte Sabotage.

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