KONGO: AUCH MILIZIONÄRE SIND RATIONALE WESEN : Umsiedlung statt Massaker
Die vierjährigen Massaker im kongolesischen Ituri stehen jenen in Ruanda in nichts nach. Als Ursachen des gegenseitigen Abschlachtens der beiden Volksgruppen Hema und Lendu werden immer wieder übergeordnete Machtinteressen benannt. Aber auch der afrikanische Bauer ist ein „homo oeconomicus“. Ohne realen Grund lässt er sich nicht zum Mörder aufhetzen. Es muss reale sozio-ökonomische Ursachen für den Konflikt zwischen Ackerbauer und Tierzüchter geben, wie zwischen Farmer und Rancher im Wilden Westen oder zwischen Kleinbauer und Wanderschäfer im Oberrheintal bis vor 50 Jahren.
In Ruanda lebten Hutu-Bauern und Tutsi-Hirten jahrhundertelang miteinander. Aber wenn sich fünf bis fünfzehn Menschen pro Quadratkilometer von traditioneller extensiver Weideviehhaltung einigermaßen ernähren können, wird es bei über 300 auch mit intensivem Ackerbau eng. Bei Verdoppelung der Bevölkerung alle 20 Jahre ohne Ausweichmöglichkeit oder nicht landwirtschaftlichem Erwerb entsteht ein extremer Armutsdruck, der aus geringstem Anlass zu grausamer Explosion führen kann. In Ituri ist die Lage ähnlich. Migration könnte eine Lösung sein. In Westafrika schien die Auswanderung der Mossi von Burkina Faso in die Elfenbeinküste eine Erfolgsgeschichte zu sein – bis der Neid der Einheimischen gegen die „Fremden“ überhand nahm.
Leider kann der Kongo nicht einmal die physische Sicherheit seiner Bürger gewährleisten. Die Zivilgesellschaft könnte wirtschaftliche und soziale Aufgaben erledigen, wie schon seit 40 Jahren. Zu ihrem Schutz ist eine internationale frankophone Friedenstruppe mit Mandat zu aktivem bewaffnetem Eingreifen erforderlich. Mittelfristig ist in den sehr dicht besiedelten ostkongolesischen Gebieten von Kivu und Ituri eine Bodenreform mit professioneller Unterstützung bis zu massiver Erschließung und Umsiedlung erforderlich. Der Raum, der dafür in Frage kommt, ist im Kongo reichlich vorhanden. MARTIN DIETZ
Der Autor ist Landwirt und freier Mitarbeiter der Deutschen Welthungerhilfe im Osten des Kongo