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Archiv-Artikel

Die Moschee, die nicht schuld ist

Noch ist der Hintergrund der Busentführung durch einen Bremer libanesischer Herkunft ungeklärt. Doch wie der „Bremer Taliban“ verkehrte auch er in der Abu-Bakr-Moschee

BREMEN taz ■ Mitten im Bremer Stadtzentrum liegt ein Problem, das bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hat. Es heißt Abu-Bakr-Moschee. Hier betete bis zu seiner Festnahme der 17-jährige Geiselnehmer Ali Marwan T., der am Freitag einen Linienbus mit 16 Personen sieben Stunden lang in seiner Gewalt hielt. Hier rollte auch der als „Bremer Taliban“ auf Guantánamo festgehaltene Murat K. zuletzt den Gebetsteppich aus.

Doch die Moschee weist jede Verantwortung für die jungen Männer zurück. Sie seien nur gelegentlich zum Beten gekommen, heißt es. Dass Innensenator Kuno Böse (CDU) auf die Moschee zeigt, wird dort als „Wahlkampf“ abgetan – nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung.

Tatsächlich dürften die beiden „Gotteskrieger“ sich kaum kennen. Doch sie verbindet viel. Sie sind Söhne muslimischer Einwandererfamilien, die sich in Bremen unauffällig integriert haben. Die Eltern arbeiten, die Familien gelten als intakt. Nur: Die Söhne stehen unter Terrorismusverdacht.

Strafrechtlich sind beide Jugendliche bisher nicht aufgefallen. Ihr Leben verlief unauffällig. Nachbarn und Bekannte bezeichnen etwa den Busentführer Ali Marwan T. als höflich und nett. Erst als sie heranwuchsen, begannen sie, sich wie fromme Muslime zu kleiden. Freunde und Verwandte reagierten mit Sorge. So hatten die Eltern des jetzt inhaftierten deutsch-libanesischen Geiselnehmers selbst die Polizei über das Verschwinden ihres Sohnes kurz vor der Tat informiert – und auch über dessen Gotteskriegerfantasien. Auch die Mutter des Bremer Taliban hatte den Sohn polizeilich an der Ausreise hindern wollen.

Doch wie schon nach der Festnahme von Murat K. durch US-Streitkräfte wollen Verantwortliche in der Moschee auch jetzt nichts wissen von möglichen Hintermännern, die den eingebürgerten Gymnasiasten Ali Marwan T. beeinflusst haben könnten. Anlass zu Fragen geben in verschiedenen Handschriften verfasste Briefe des jungen Mannes, in denen er die Freilassung von inhaftierten Al-Qaida-Gefangenen forderte und sich als Gotteskrieger gegen Israel bezeichnete.

Gerüchte, wonach der Jugendliche im Verhör zugegeben habe, im Auftrag von Hintermännern gehandelt zu haben, bestätigt niemand. Während der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) gestern zum Tathintergrund nur äußerte, dass es „keine Hintermänner“ gebe, hatte der Bremer Innensenator Kuno Böse (CDU) frühzeitig von einer „Tat mit extremistischem Hintergrund“ gesprochen. Am 25. Mai sind in Bremen Bürgerschaftswahlen. Gestern verhängte die Staatsanwaltschaft eine Nachrichtensperre.

Der Vorsitzende der Abu-Bakr-Moschee verwahrte sich unterdessen gegen jeden Verdacht, Extremisten eine Plattform zu bieten. „Wenn der Innensenator Beweise für seine Vorwürfe hätte, würden wir ihn sofort bei der Aufklärung unterstützen“, so Yehia al-Moawen. Tatsächlich waren bereits die Ermittlungen über mögliche Hintermänner des nach Pakistan ausgereisten Bremer Taliban ins Leere gelaufen. Zwar beobachtet der Verfassungsschutz die Abu-Bakr-Moschee, in der die pakistanische Missionsbewegung aktiv ist. Aber auch der Geiselnehmer Ali Marwan T. war den Sicherheitsbehörden, die zu diesen Gruppen ohnehin kaum Zugang haben, bislang nicht bekannt. Solche jungen Männer suchten nach Orientierung und durchliefen dabei oft verschiedene Moscheen, wo sie von religiösen Eiferern leicht vereinnahmt würden, heißt es. Dass diese Gruppierungen ihre Heimat so lange in der Bremer Abu-Bakr-Moschee haben, wie die jede Verantwortung ablehnt, daran besteht kein Zweifel. EVA RHODE