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Archiv-Artikel

Enormes Konjunkturprogramm

Interview KATHARINA KOUFEN

Herr Zimmermann, die Börsenwerte steigen in den letzten Tagen. Man hat den Eindruck, der Dax marschiert an vorderster Front mit. Woran liegt das?

Klaus Zimmermann: Die Irakkrise hat die Wirtschaft seit Wochen belastet. Der Wechselkurs war zugunsten des Euro gestiegen, also sind die Leute aus dem Dollar raus, die Aktienkurse fielen – das ist jetzt erst einmal vorbei. Der Dollar wird wieder stärker, die Kurse steigen.

Das heißt: Der Krieg ist da, jetzt wissen wir, wo wir dran sind, jetzt kann sich die Wirtschaft wieder erholen?

Vorerst schon. Zum einen ist die Unsicherheit vorbei, zum anderen ist der Krieg für die US-Wirtschaft natürlich so was wie ein enormes Konjunkturprogramm. Kurzfristig ist die Bewertung dieses Krieges aus wirtschaftlicher Sicht positiv – auch wenn das zynisch klingt. Das hat nichts mit den langfristigen Konsequenzen zu tun, aber die Beteiligten können erst einmal aufatmen. Das wird sich stabilisieren, solange der Krieg nicht länger als sechs bis acht Wochen dauert. Danach wird es kritisch.

Was bedeutet ein kurzer Krieg langfristig für die Weltwirtschaft?

Langfristig wird auch der günstigste Fall, also ein kurzer Krieg, zu Schwierigkeiten führen. Die US-Regierung verschuldet sich hoch und kommt wieder in Budgetprobleme. Das wird das Vertrauen in die USA auch nicht gerade stärken. Und die Weltwirtschaft hängt nun mal von den USA ab.

Und für die Börsen?

Wenn der Krieg nur von kurzer Dauer ist, haben wir eine positive Entwicklung, auch wenn das – wiederum – zynisch klingt. Auf die Dauer aber hängen die Börsen von der Leistungsfähigkeit der Unternehmen ab und nicht von der Situation der Staatsverschuldung und Ähnlichem. Langfristig hat der Krieg mit den Börsen nicht viel zu tun.

Was kommt auf Deutschland zu?

Zunächst relativ wenig Kosten für die Kriegsführung, da wir ja nicht am Krieg beteiligt sind. Dann aber kommen wahrscheinlich die Kosten für einen Friedenseinsatz und Wiederaufbaukosten auf uns zu. Die Gesamtkosten für den Krieg sind ja auf ungefähr 100 Milliarden Dollar geschätzt worden. Deutschland wird da schon einen signifikanten Beitrag leisten müssen.

Wird dieser Beitrag durch die Beteiligung am Wiederaufbau kompensiert?

Vom Wiederaufbau wird vor allem die US-Wirtschaft profitieren, denn am Aufbau werden hauptsächlich amerikanische Firmen beteiligt sein. Da werden die Verträge ja jetzt schon vergeben. Deutsche Firmen jedenfalls werden davon nichts abbekommen. Auf der anderen Seite werden sich gerade Länder wie Deutschland nicht verweigern können, wenn es darum geht, für den Wiederaufbau Gelder bereit zu stellen und Soldaten zu stationieren. Das bedeutet, dass Europa von den Aufbaukosten, die schätzungsweise gemeinsam mit den Kosten für die Friedenstruppen doppelt so hoch sein werden wie die Kriegskosten, nicht verschont bleibt, aber von den Vorzügen nicht profitieren kann. Das wäre für Europa eher ein negativer Effekt.

Was passiert im schlechten Fall?

Dann sind die Kriegskosten größer, die Schäden größer und eben auch die Wiederaufbaukosten höher. Dann sind wir bei Summen von bis zu 1,9 Billionen Dollar, wenn man die Verluste an den Ölmärkten einrechnet, die Ausfälle für die Unternehmen und so weiter.

Welche Auswirkungen hätte das auf die Weltwirtschaft?

Dann besteht tatsächlich die Gefahr, dass wir in eine Rezession rutschen, weil die Amerikaner dann die belebende Rolle nicht spielen, die sie im anderen Fall spielen – weil sie ja die hohen Kriegskosten tragen müssen.

Wie wird sich der Ölpreis entwickeln?

Der Ölpreis wird sich im Falle eines kurzen Krieges eher auf niedrigem Niveau stabilisieren, so bei 25 bis 28 US-Dollar. Er wird erst dann ein Problem werden, wenn der Krieg lange dauert oder wenn die Ölfelder brennen.

Und der Dollar?

Der Dollar wird jetzt im Augenblick wieder stärker, aber das halte ich für ein kurzfristiges Phänomen. Kriege bringen indes bekanntlich immer eine positive Anpassungsreaktion mit sich, weil man denkt, dies hätte doch positive Folgen für die Wirtschaft – zynisch eben, wie die Wirtschaft gelegentlich ist. Langfristig werden aber wieder die dauerhaften Wachstumschancen eine Rolle spielen. So wird der Euro am Ende des Jahres wahrscheinlich eher 1,10 Dollar kosten.

Welche Rolle spielen psychologische Faktoren wie Angst und Investitionsunsicherheit?

Solange nicht klar ist, dass der Krieg schnell vorbei ist, werden sich Unternehmer und Anleger von den möglichen schlimmen Folgen des Krieges sicherlich abschrecken lassen und mit Investitionen oder Käufen lieber warten. Die Leute sparen dann mehr, als sie sollten, und das verstärkt natürlich die Krise.

Wann wird es wieder aufwärts gehen?

Man muss wissen, dass wir im ersten Halbjahr 2003 auch ohne Irakkrieg schon in der Stagnation sind und dass im zweiten Halbjahr ohnehin wohl auch weiterhin sein werden. So dass jetzt ein Funke, der von außen kommt, die Situation in die Krise umkippen lassen kann.

Wie muss eine gute Wirtschaftspolitik jetzt aussehen?

Der Krieg ist jetzt noch nicht kritisch für die Konjunktur. Aber wenn er morgen kritisch wird, ist es zu spät. Deshalb ist mein Rat, dass die europäische und auch die amerikanische Zentralbank noch mal die Zinsen senken – Inflationsgefahr besteht ja keine. Gleichzeitig muss der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt ausgesetzt werden.

Für wie lange?

Für dieses und wohl auch für das nächste Jahr.

Wird er dadurch nicht zum Schönwetterpakt?

Nein, er wird doch nur angewendet. Es gibt im Stabilitätspakt einen Passus, in dem ausdrücklich steht: In außergewöhnlichen Situationen darf man ihn aussetzen. Und ein Krieg ist eine außergewöhnliche Situation. Das heißt ja nicht, dass man sich jetzt wild verschulden soll, um große Programme aufzulegen.

Also keine Konjunkturprogramme?

Nur im Bereich der Investitionen. Und man kann darüber nachdenken, die Steuerreform von 2005 auf 2004 vorzuverlegen, aber nur, falls der Krieg länger dauert. Aber so, wie der Kanzler jetzt Zinssubventionen geben will, bringt das nichts.

Wieso nicht?

Die Bundesregierung will Kommunen und Unternehmen über die Kreditanstalt für Wiederaufbau billigere Kredite gewähren. Aber die Kommunen sind so hoch verschuldet, dass sie gar keine Kredite mehr aufnehmen können. Deshalb wäre es besser, ihnen direkt Geld für Investitionen zu geben, und zwar durch so genannte Investitionsprämien: Einen bestimmten Betrag müssen sie selbst aufbringen, einen Teil legt dann noch der Bund drauf. Das dadurch entstehende neue Loch im Haushalt sollte man jetzt hinnehmen und nicht noch zusätzlich sparen.

Wann sollte die Regierung solch ein Investitionsprogramm starten?

Sofort. Wenn wir nicht schon jetzt aufpassen, noch tiefer in die Krise zu geraten, hilft uns auch die Strukturreform nichts, die Herr Schröder einleiten will. Mittelfristig muss dann der Haushalt wieder in Ordnung gebracht werden. Dazu wäre es am einfachsten, die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Das könnte auch die Steuerreform sichern.

Eine höhere Mehrwertsteuer würde aber den Kosum weiter drosseln.

Man muss bei den Ausgaben und bei den Subventionen streichen. Aber man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass das nicht ausreicht. Wenn man die Steuern senkt, erhöht man ja den Anreiz, zu arbeiten. Auch konsumieren die Leute dann mehr, weil sie mehr Geld in der Tasche haben. Eine höhere Mehrwertsteuer würde diesen Effekt teilweise wieder ausgleichen – aber eben nur teilweise. Gleichzeitig würde sie dem Staat aber zu neuen Einnahmen verhelfen.

Es werden neue Terroranschläge befürchtet. Wie soll die Regierung Sicherheitsmaßnahmen finanzieren?

Auf keinen Fall durch erneute Steuererhöhungen, wie nach dem 11. September, als für das Antiterrorpaket Tabak- und Versicherungssteuern erhöht worden sind.