DIE OFFENSIVE DER USA IN AFGHANISTAN ZEIGT IHRE POLITISCHE SCHWÄCHE : Das Militär soll es richten
Die größte Offensive der US-Streitkräfte in Afghanistan seit einem Jahr hat neben dem militärischen Ziel – die Reste der Taliban und der al-Qaida zu bekämpfen – drei Botschaften: Erstens wird durch die Gleichzeitigkeit mit der Irakinvasion eine Verbindung zwischen beiden Kriegsschauplätzen hergestellt. Damit erscheint die Irakinvasion als Teil des „Kriegs gegen den Terror“, obwohl es Washington bisher nicht gelungen ist, eine Verbindung zwischen dem irakischen Regime und al-Qaida nachzuweisen.
Zweitens wird den bewaffneten Gegnern der schwachen Regierung in Kabul signalisiert, dass die USA trotz Irakkrieg in Afghanistan militärisch aktiv bleiben. Diese Kräfte sollen also nicht glauben, dass jetzt die Zeit für Anschläge und Angriffe günstig ist. Dieselbe Botschaft lautet drittens umgekehrt an Afghanistans Regierung und Bevölkerung: Die USA lassen euch trotz Irak nicht im Stich.
Zwar zeigen die regelmäßigen Anschläge, Raketenangriffe und Scharmützel, dass ein militärisches Engagement der USA und ihrer Verbündeten in Afghanistan weiter nötig ist. Eine afghanische Armee und Polizei, die allein Sicherheit und Ordnung gewährleisten kann, ist noch nicht in Sicht. Abgesehen davon wurde bis heute niemand in diesem waffenstarrenden Land entwaffnet.
Trotzdem hat sich die Entwicklung in Afghanistan längst von der militärischen auf die politische Ebene verlagert. Doch bei der Ausarbeitung einer Verfassung, der Vorbereitung von Wahlen, des Aufbaus eines Rechtsstaats und ähnlichem gibt es kaum Fortschritte – die USA sind in diesen Prozessen am wenigsten engagiert. Washingtons jetzt wieder dem Irak gegebenes Versprechen der Demokratisierung hat sich bisher in Afghanistan als hohl erwiesen. Zwar sind die Taliban gestürzt, doch wurde eine Regierung installiert, in der hinter der liberalen Fassade von Hamid Karsai antidemokratische Kräfte dominieren. Die Demokraten in Afghanistan müssen gerade die bittere Erfahrung machen, dass das politische Interesse der USA an der Entwicklung erlischt, sobald sie ein ihnen nahe stehendes Regime installiert haben. Mit militärischen Mitteln allein ist Terrorismus jedoch nicht zu besiegen. SVEN HANSEN